Energiegipfel im Kanzerlamt:Raus, und zwar schnell!

Suche nach einem gemeinsamen Kurs: Nach dem Energiegipfel herrscht zwischen der Kanzlerin und den Länderchefs Konsens - Deutschland soll raus aus der Atomenergie. Und das möglichst schnell. Bis Mitte Juni soll das Gesetzespaket auf den Weg gebracht werden. Dennoch bleibt Merkel viele Antworten schuldig.

Kathrin Haimerl

Um vier Uhr morgens leuchtete kurzzeitig ein Schriftzug an der Wand des Berliner Kanzleramts auf: "Deutschland ist erneuerbar!" projizierten Greenpeace-Aktivisten an das Gebäude. Das Lichtgraffiti war nicht die einzige Protestaktion zum Auftakt des Energiegipfels, zu dem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an diesem Freitag geladen hat: Lautstarke Sprechchöre empfingen die Vertreter der Länder in Berlin. Bis zu 450 Demonstranten protestierten nach Angaben der Polizei vor dem Kanzleramt für den sofortigen Ausstieg.

German Chancellor Merkel addresses media after a prime ministers meeting in Berlin

Ein "unglaublich spannendes Projekt": Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Umweltminister Röttgen (von links), Verkehrsminister Ramsauer, Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Böhmer und Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering.

(Foto: REUTERS)

Dabei ist die Position der Politiker von jener der Demonstranten seit der Reaktorkatastrophe in Fukushima gar nicht so weit entfernt: Deutschland will abschalten, so viel steht fest. Nur wie und in welchem Zeitrahmen?

An diesem Freitag, gut einen Monat nach dem Beben in Japan, ist die Kanzlerin mit den Vertretern aller 16 Bundesländer zusammengekommen. Es ging um die rasche Wende hin zu erneuerbaren Energien und in diesem Zusammenhang auch um den Ausbau der Netze, um den Ökostrom über Land zu transportieren. Merkel, Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) legten den Ländern dazu einen Sechs-Punkte-Plan zum Ausbau erneuerbarer Energien vor. Darin ist sehr viel die Rede von zügig und effizient: "Zügig" sollten die erneuerbaren Energien ausgebaut werden, ebenso "zügig" wie Speicher und Netze, um etwa den Strom aus Windkraftanlagen im Norden in den Süden zu bringen.

Mit einer halben Stunde Verspätung tritt die Kanzlerin gemeinsam mit den Ministern Röttgen, Brüderle, Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) sowie den Ministerpräsidenten Wolfgang Böhmer (CDU, Sachsen-Anhalt) und Erwin Sellering (SPD, Mecklenburg-Vorpommern) vor die Kameras. Mit ihrem hellen Blazer sticht die Kanzlerin aus der Riege der Männer heraus. Sie blickt in die Runde der Journalisten, sie sieht müde aus.

Es habe eine "recht konstruktive Diskussion" gegeben, sagt sie, wenn es auch ab und an zu "wendigen Debatten" gekommen sei. "Das Gespräch war getragen von dem Gedanken, dass wir alle schnellstmöglich aus der Kernenergie aussteigen wollen." Die angepeilte Energiewende nennt Merkel ein "unglaublich spannendes Projekt", sieht dabei aber nicht sehr enthusiastisch aus.

Zu verkünden hat die Koalition der Ausstiegswilligen indes wenig Konkretes, was nicht schon im Vorfeld bekannt gewesen wäre. Es gebe noch Streit bei Detailfragen, wie etwa ein rascherer Ausbau der Stromnetze und der erneuerbaren Energien geschafft werden soll.

Nur so viel: Man habe einen Zeitplan für die Energiewende vereinbart. Bis Mitte Juni will die Bundesregierung ein Gesetzespaket auf den Weg bringen, kündigt Merkel an. Einigkeit bestehe darin, dass am Ende eine rechtlich saubere, eindeutige Lösung stehen müsse, die auch im Atomgesetz festgeschrieben werde.

Am 3. Juni solle es erneut ein Treffen mit allen 16 Ministerpräsidenten geben. Am 6. Juni befasst sich das Kabinett mit dem neuen Atomgesetz, bereits am 17. Juni soll der Bundesrat den neuen Atomausstieg besiegeln. "Es gibt einen politischen Willen zur Beschleunigung", sagt Merkel und lächelt. Jetzt müsse zügig gehandelt werden, will sie damit vermitteln, man habe sich einen straffen Zeitplan verordnet.

Für die SPD-regierten Länder sichert der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering (SPD), konstruktive Mitarbeit bei der angepeilten Energiewende zu. Allerdings dürfe der Ausstieg aus der Atomkraft "zeitlich nicht zu sehr gestreckt werden". Keinesfalls dürfe die Regierung hinter den von rot-grün vereinbarten Atomausstieg bis etwa 2022 zurückfallen. Außerdem pocht er darauf, die abgeschalteten sieben ältesten Meiler und den ohnehin vorübergehend stillgelegten Meiler Krümmel nicht wieder ans Netz gehen zu lassen.

Die Frage um die mögliche Finanzierung des Umbaus der deutschen Stromversorgung klammern die Politiker auf der Pressekonferenz aus. Im Vorfeld des Treffens hatte sich der Streit um die Kosten des Atomausstiegs verschärft:Die Süddeutsche Zeitung berichtete unter Berufung auf Regierungskreise, dass die Umsetzung des Konzepts, das Röttgen und Brüderle den Länderchefs vorgelegt haben, pro Jahr durchschnittlich drei Milliarden Euro kosten könnte. Merkel und Brüderle ließen dies als "Spekulationen" zurückweisen. Es könne noch keine belastbaren Zahlen geben, weil so viele Variablen noch unklar seien, ließ Merkel über ihren Sprecher Seibert mitteilen.

Nach wie vor ist offen, wie der milliardenschwere Umbau insgesamt finanziert werden soll. Bisher zahlen die Verbraucher über den Strompreis den Ausbau etwa von Solar- und Windenergie. Der Energie- und Klimafonds, über den der Bund Fördermaßnahmen für den Ausbau alternativer Energien finanziert, speist sich bisher aus den Beiträgen der Kernkraftwerks-Betreiber. Allerdings haben die angesichts der unklaren Zukunft der Atomkraft ihre Zahlungen einstweilen eingestellt.

SPD-geführte Länder machen Druck beim Atomausstieg

Im Vorfeld des Energiegipfels hatte es auch im Bundesrat eine Debatte zum Atomausstieg gegeben. Dabei erhöhte Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck zusammen mit anderen SPD-geführten Bundesländern den Druck auf die schwarz-gelbe Bundesregierung: Zusammen mit Nordrhein-Westfalen, Berlin, Bremen, Hamburg und Rheinland-Pfalz brachte er einen entsprechenden Antrag in die Länderkammer ein. Darin fordern die Länderchefs die Rückkehr zum Atomkonsens des Jahres 2000. Zudem sollen die acht derzeit abgeschalteten Atommeiler nicht mehr ans Netz gehen. Für die Reaktoren, die weiter genutzt werden sollen, müsse es Sicherheitskonzepte auf dem Stand der Technik geben.

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