Energie:Hamburger Holzweg

Die Stadt will mit Büschen aus Namibia heizen.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Es ist nicht der schnellste Weg von Namibia nach Hamburg, Luftlinie 8500 Kilometer nach Windhuk und über das Meer an die Walfischbucht noch weiter. Andererseits besitzt diese Hansestadt natürlich einen Welthafen und hat weltgewandte Ideen. Sollte dieses Projekt also tatsächlich zur Anwendung kommen, dann wird namibisches Buschholz regelmäßig auf Schiffe verladen, an die Elbe gefahren und in Hamburger Kraftwerken verbrannt, damit es die Hamburger warm und die Namibier ein Problem gelöst haben.

Gestrüpp aus dem südlichen Afrika, um den deutschen Norden zu heizen und die Umwelt zu pflegen? Auf den ersten Blick wirkt der Plan wie eine Mischung aus Utopie und Realsatire, doch dahinter steckt ein erbitterter Streit. Die einen, vorneweg die Interessenten aus Namibia und dem rot-grünen Hamburger Senat, können sich vorstellen, fossile Brennstoffe wie Kohle durch namibische Biomasse zu ersetzen. Das soll dem Klima in Hamburg und der Landschaft in Namibia guttun. Die anderen, darunter Naturschützer, halten das für Irrsinn.

In Schwung kam die Debatte nach dem Besuch einer Delegation aus dem afrikanischen Land 2019 in Hamburg, die Antreiber glauben an einen doppelten Erfolg. Erstens soll Namibia von Büschen befreit werden, die Lebensräume von Mensch und Tier überwuchern. Die Regierung will die verbuschte Fläche reduzieren und mit dem Vertrieb der Biomasse Jobs schaffen, allerdings ist der nationale Strombedarf zu gering, um alles daheim zu verfeuern. Zweitens will Hamburg seinen CO₂-Ausstoß verringern und meint, dass auch nachwachsendes Gehölz aus der Ferne helfen könnte.

Im Mai 2020 wurde ein Memorandum unterschrieben, die transkontinentale Biomassenpartnerschaft Hamburg - Namibia soll geprüft werden. Aus Hamburgs grün geführter Behörde für Umwelt und Energie wurde als Bedingung genannt, "dass über die gesamte Lieferkette die soziale und ökologische Bilanz stimmt". Darüber gibt es nun sehr unterschiedliche Ansichten.

Ein Gutachten des Instituts für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS) kommt zu dem Ergebnis, dass es trotz des Transports verträglicher wäre, dieses Holz zu verbrennen als Kohle. Beifall kommt außerdem von der Namibia Nature Foundation, unterstützt gleichwohl von der namibischen Holzkohle-Vereinigung und Biomasseindustrie. Man empfinde diese Zusammenarbeit mit Hamburg auch "keinesfalls als eine Form der Rekolonisierung". Die ehemalige Kolonie Deutsch-Südwestafrika, das macht die Diskussion noch heikler, steht ja für blutige Geschichte, den deutschen Völkermord an den Herero und Nama.

Kritiker dagegen entdecken neokoloniale Muster. Und eine Studie eines Professors der HafenCity-Universität im Auftrag der Initiative Hamburger Energietisch rät von importiertem Brennholz aus Namibia schwer ab und errechnet, dass dabei noch viel mehr CO₂ freigesetzt werde als mit Steinkohle oder Erdgas. Auch sei "ein Export des Rohstoffs Holz in den globalen Norden für einen Stopp der Verbuschung nicht notwendig". Ende Februar demonstrierten Aktivisten von "Robin Wood" vor dem Kraftwerk Tiefstack, wo das Buschholz zum Einsatz kommen könnte.

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