Energiekrise:Diakonie: Entlastungen sind gut, aber unausgewogen

Energiekrise: Damit die Menschen in Deutschland gut durch den Winter kommen, beschließt die Bundesregierung milliardenschwere Entlastungen (Symbolbild).

Damit die Menschen in Deutschland gut durch den Winter kommen, beschließt die Bundesregierung milliardenschwere Entlastungen (Symbolbild).

(Foto: imago classic/imago images/alimdi)

Von den Abschlagszahlungen profitierten alle "von der Millionärin bis zum Hartz-IV-Empfänger", so der Sozialverband. Das sei nicht nachvollziehbar. Lob für das 49-Euro-Ticket kommt von der Deutschen Bahn. Die Reaktionen auf die Bund-Länder-Beschlüsse im Überblick.

Der Bund stellt angesichts der Energiekrise milliardenschwere Entlastungen bereit und schon bald können Millionen Menschen den öffentlichen Nahverkehr für deutlich weniger Geld als bislang nutzen. Im kommenden Jahr soll das sogenannte Deutschlandticket für 49 Euro im Monat eingeführt werden. Außerdem stockt der Bund seine Hilfen für die Aufnahme von Geflüchteten auf. Nach der Ministerpräsidentenkonferenz gibt es viel Lob für ihre Einigungen, aber auch kritische Stimmen - aus unterschiedlichen Richtungen. Ein Überblick:

Bei den beschlossenen Hilfen für Bürger und Unternehmen in der Energiekrise sehen Sozialverbände noch Nachbesserungsbedarf. Einkommensarme und Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen müssten stärker berücksichtigt werden, mahnte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. So seien Gas- und Strompreisbremse sinnvolle Instrument für die Planungssicherheit. Die nun geplanten Abschlagszahlungen für Gas und Fernwärme seien jedoch "ein Schritt zurück", denn hiervon profitierten alle "von der Millionärin bis zum Hartz-IV-Empfänger". Das sei angesichts der für viele Menschen bedrohlichen finanziellen Lage "nicht nachvollziehbar". Stattdessen brauche es zielgenaue Hilfszahlungen, um den ärmsten Menschen "schnell und unbürokratisch" zu helfen.

Der Sozialverband Deutschland zeigte sich enttäuscht, dass keine Einigung für eine generelle Energiepreisbremse erzielt werden konnte, die Heizformen wie Öl mit einschließt. Die Gaspreisbremse im März 2023 komme zu spät, fügte die Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier hinzu. Auch die Deckelung des Strompreises auf 30 Cent pro Kilowattstunde entlaste "aktuell nur wenige - sie ist nur als künftige Grenzlinie zu verstehen".

Kritik übte Engelmeier auch am Deutschlandticket. Es sei gut, dass es eine Nachfolgeregelung für das Neun-Euro-Ticket geben soll. "Trotzdem bleiben wir dabei, dass sich 49 Euro nicht alle Menschen leisten können", sagte Engelmeier. "Deshalb fordern wir weiterhin ein 365-Euro-Ticket. Ein Euro pro Tag für Mobilität, das wäre wirklich sozial verträglich." Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch beklagte ebenfalls, für viele einkommensschwache Haushalte sei das 49-Euro-Ticket zu teuer.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sieht die Finanzierung des Tickets und die Zukunft des öffentlichen Nahverkehrs trotz höherer Zuschüsse durch den Bund kritisch. Im ÖPNV sorgten enorme Kostensteigerungen etwa bei der Energie dafür, "dass das Geld nicht reicht", so Kretschmer. Strecken würden ausgedünnt oder stillgelegt. "Dieses Geld muss erst mal auf den Tisch." Einen Teil habe der Bund zugesagt, das reiche aber nicht aus. "Der Bundesregierung war das 49-Euro-Ticket, dieses Symbol, noch wichtiger, da ist jetzt Geld vorhanden. Ich finde, das ist die falsche Reihenfolge." Man müsse nun aber damit umgehen.

Den Städten sei wichtig, dass ein bundesweites 49-Euro-Ticket mit einem besseren Verkehrsangebot verbunden werde, sagte der Präsident des Deutschen Städtetags, Markus Lewe. Beides zusammen sei mit den zur Verfügung gestellten Mitteln aber nicht zu machen. "Es droht weiter, dass Fahrpläne ausgedünnt werden müssen - die Verkehrswende droht damit auf dem Abstellgleis zu landen", sagte der CDU-Politiker und Oberbürgermeister von Münster der Deutschen Presse Agentur.

Lob gab es hingegen von der Deutschen Bahn: Vorstandsmitglied Evelyn Palla nannte das sogenannte Deutschlandticket eine "Flatrate für den Regionalverkehr". "Damit revolutionieren wir die Art, wie sich die Menschen in Deutschland im Alltag fortbewegen", sagte Palla. Reisende könnten damit bundesweit in jeden beliebigen Regionalzug oder Linienbus einsteigen - ohne sich Gedanken über Tarif- oder Ländergrenzen zu machen. Der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) sieht das 49-Euro-Ticket als geeignet an, mehr Pendler zum Umstieg auf Bus und Bahn zu bewegen, weil es eine auf Dauer angelegte Entscheidung sei. Der Verkehrsclub regte zudem an, zu prüfen, ob auch Fernbusse in das Ticket einbezogen werden könnten.

Städtetagspräsident Lewe übt derweil Kritik an den aus seiner Sicht nicht ausreichenden Milliardenhilfen zur Aufnahme von Geflüchteten. Außerdem sei in dem Paket kein Geld für die Integration der Menschen vorgesehen. Die Herausforderungen wüchsen mit jedem Tag. Aus der Ukraine und auch aus anderen Ländern kämen immer mehr Menschen nach Deutschland. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, forderte von den Ländern in der Rheinischen Post "deutlich mehr Kapazitäten in Erstaufnahmeeinrichtungen und Sammelunterkünften". Auch der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, äußerte sich und verlangte gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, dass die Länder die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel an die Kommunen weiterreichten.

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