Endlagersuche:Stunde des Ungehorsams

Atommüll-Endlagersuche

Auch die Diskussion um eine neue Endlager-Suche wird von Protest begleitet. Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) in Berlin. 

(Foto: dpa)

Der Tag nach dem Endlagerkonsens sieht so aus: Die Kanzlerin ist beglückt, Experten gratulieren. Doch die Betroffenen formieren sich zum Widerstand. Und auch die Atomindustrie stellt sich quer.

Von Michael Bauchmüller und Christopher Schrader, Berlin

In Philippsburg laufen schon die Vorbereitungen - für den Proteststurm. "Wir werden von hier aus generalstabsmäßig die Demonstrationen vorbereiten", sagt Bürgermeister Stefan Martus, ein CDU-Mann. "Das Wendland wird nichts dagegen sein." Schließlich habe die Stadt nahe Karlsruhe schon mit ihrem Kernkraftwerk samt Zwischenlager genug Last zu tragen. Aber noch fünf zusätzliche Castoren aus La Hague? "Irgendwann ist Schluss", sagt Martus.

So scheiden sich die Geister am Tag nach dem Endlagerkonsens: die Kanzlerin ist beglückt, Experten gratulieren. Doch die direkt Betroffenen sind unzufrieden. Weil keine Castor-Transporte mehr in das Zwischenlager Gorleben rollen sollen, müssen nun andere Standorte her. Philippsburg in Baden-Württemberg zählt zu den Favoriten, auch Schleswig-Holstein hat sich bereit erklärt. "Aber die beiden Länder können die Last nicht alleine tragen", sagt der Kieler Umweltminister Robert Habeck (Grüne).

Eine Entscheidung hatte die Ministerrunde am Dienstag vertagt; kein weiteres Land hatte sich gemeldet. Bis Juli soll nun klar sein, wo sich die insgesamt 26 noch erwarteten Atommüll-Behälter unterbringen lassen. Infrage kommen dafür nur Zwischenlager bei Atomkraftwerken. Doch eine Genehmigung für die Lagerung dieser Castoren hat keins.

Bezahlen soll die Suche die Atomwirtschaft - doch die ziert sich

Derweil bahnt sich ein Streit auch über die Kosten der Endlagersuche an. Der Gesetzentwurf, der in den nächsten Wochen in den Bundestag eingebracht werden soll, taxiert sie auf insgesamt zwei Milliarden Euro. Angesichts von 1,6 Milliarden Euro, die bislang schon in die Erkundung des Salzstocks Gorleben flossen, dürfte das eine sehr vorsichtige Schätzung sein. Bezahlen soll die Suche die Atomwirtschaft, doch die ziert sich. "Vor einer abschließenden Bewertung zur Eignung Gorlebens", so ließen die Akw-Betreiber wissen, gebe es für die Finanzierung alternativer Standorterkundungen "nach unserer rechtlichen Auffassung keine Grundlage".

Allerdings hatten Bund und Länder just am Dienstag noch einmal unterstrichen, dass die Suche nach einem Atom-Endlager von den Verursachern des Mülls zu zahlen ist. Im Zuge der weiteren Beratungen sollten entsprechende Abschnitte des Gesetzes noch deutlicher formuliert werden, kündigte Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) an. "Die Kosten für die Suche und den Bau des Endlagers sind von den Betreibern zu tragen." Darin bestehe "breiter Konsens".

Gorleben könnte ausscheiden

Ob es eine solche "abschließende Bewertung" Gorlebens aber überhaupt geben wird, ist freilich eine andere Frage - sie hängt nun von den Ergebnissen einer 24-köpfigen Kommission ab. Sie soll bis Ende 2015 die Anforderungen an ein Endlager erarbeiten, diese könnten dann - Mehrheit im Bundestag vorausgesetzt - in das Gesetz einfließen. Schon aufgrund dieser Kriterien könnte Gorleben ausscheiden.

Vorarbeiten für die Kommission gibt es schon, sie stammen aus dem vorigen Jahrzehnt. Seinerzeit hatte der damalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) einen "Arbeitskreis Endlagerung" eingesetzt, der erstmals ein Suchverfahren ins Spiel gebracht hatte. "Jetzt kommt das Verfahren auf eine gesetzliche Grundlage, das vor elf Jahren der Arbeitskreis Endlager vorgespurt hat", sagt Michael Sailer, Leiter des Ökoinstituts und damals Mitglied des "AK End" genannten Gremiums. Die Empfehlungen des 14-köpfigen Arbeitskreises unterschieden zwischen Ausschluss- und Abwägungskriterien. Ähnlich lautet nun der Auftrag an die Enquêtekommission.

"Alles noch einmal durchbuchstabiert"

Seinerzeit riet das Gremium, besetzt mit Gegnern wie Befürwortern der Atomenergie, all jene Regionen auszuschließen, in denen das Gestein erdgeschichtlich junge Brüche aufweist, wo Vulkane oder heftige Erdbeben möglich sind, in denen das Grundwasser zu schnell fließt oder die sich um mehr als einen Millimeter pro Jahr heben.

Dann nämlich könnte ein Endlager in 1000 Metern Tiefe binnen einer Million Jahre freigelegt werden. "Ich erwarte, dass die neue Kommission in ihrem Abschlussbericht ähnliche Kriterien formuliert wie der AK-End damals", sagt Sailer. "Aber es ist trotzdem gut, wenn sie das alles noch einmal nach dem neuesten Stand der Wissenschaft durchbuchstabiert."

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