Endlager-Suche:Mehr Atommüll - weniger Platz

Atommülllager Asse

Marode: Aus der Schachtanlage Asse II sollen mehr als 125 000 Fässer mit Atommüll zurückgeholt werden.

(Foto: Ole Spata/dpa)
  • In Deutschland lagert deutlich mehr Atommüll als bislang angenommen.
  • Das einzige genehmigte Endlager in Deutschland, Schacht Konrad bei Salzgitter, kann die Abfälle nicht aufnehmen. Ein Ausbau des Schachts scheitert wohl am Widerstand der Bevölkerung.
  • Die Suche nach einem weiteren Endlager gestaltet sich schwierig, da es sowohl den hochradioaktiven als auch den schwach- und mittelaktiven Müll aufnehmen soll.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Was den Atommüll angeht, gilt in Deutschland gemeinhin das Gesetz der "weißen Landkarte". Irgendwo sollen die radioaktiven Abfälle in einem Endlager landen - nur wo, das ist noch völlig offen. Auf der weißen Landkarte kann das überall sein, jedenfalls nicht mehr unbedingt im wendländischen Gorleben, das lange als favorisierter Standort galt. Derweil lagert an vielen Orten auf der weißen Landkarte schon jetzt der Atommüll. Und sogar deutlich mehr, als lange gedacht.

Das geht aus dem "Programm für eine verantwortungsvolle und sichere Entsorgung" hervor, das die Bundesregierung dieser Tage nach Brüssel melden muss; diesen Mittwoch passierte es das Kabinett. Damit ist nun amtlich, dass es hierzulande weit mehr Abfälle gibt als nötige Endlager. Etwa, weil aus der maroden Schachtanlage Asse II mehr als 125 000 Fässer mit Atommüll zurückgeholt werden sollen. Das Salzbergwerk droht abzusaufen. Oder, weil im westfälischen Gronau Reste aus der dortigen Urananreicherung, die zwar bislang wacker als "Wertstoffe" deklariert werden, diesen Wert womöglich niemals entfalten können. Wenn nicht, handelt es sich auch bei diesen sogenannten Urantails schlicht um Atommüll.

Von der Option Konrad ist nicht viel übrig

Bis zu 320 000 Kubikmeter zusätzliche Abfälle dürften so in den nächsten Jahren anfallen, zwei Drittel aus der Asse, ein Drittel aus Gronau. Das ist mehr, als das einzige genehmigte Endlager in Deutschland, Schacht Konrad bei Salzgitter, überhaupt aufnehmen darf: Das ist nur für 303 000 Kubikmeter genehmigt. Und genau da beginnt das Problem.

Frühere Entwürfe des Entsorgungsprogramms waren an der Stelle gnadenlos: Sobald das einstige Erzbergwerk Konrad zu Beginn des nächsten Jahrzehnts endlich fertig ausgebaut ist, sollte schon seine Erweiterung geprüft werden - als Endlager auch für die zusätzlichen Abfälle. Rein technisch wäre das machbar, doch der Aufschrei kam prompt. 70 000 Unterschriften brachten die Gegner nach Berlin. "Die Stadt Salzgitter wird ihre rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um eine Erweiterung des Endlagers zu verhindern", ließ Salzgitters Oberbürgermeister Frank Klingebiel (CDU) in einer förmlichen Stellungnahme wissen. Offenbar mit Erfolg.

Im neuen Entwurf ist von der Option Konrad nicht mehr viel übrig. "Es ist mir ein besonderes Anliegen, schwindendes Vertrauen in der Region wiederzugewinnen", sagte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) am Mittwoch in Berlin - einer Region übrigens, in der SPD-Chef Sigmar Gabriel seinen Wahlkreis hat. "Mein klarer Wunsch ist", so Hendricks, "dass wir keine Abfälle über dem genehmigten Rahmen hinaus einbringen." Stattdessen sollen sich nun andere dem Standorträtsel stellen: die Endlagerkommission.

Lösungen für den hochradioaktiven Müll gesucht

Eigentlich war deren Auftrag, auf der weißen Landkarte nach Lösungen für den hochradioaktiven Müll zu suchen. Mengenmäßig ist das ein Bruchteil des gesamten Atommülls - aber für den Menschen ist er ungleich gefährlicher. Die Abfälle, abgebrannte Brennelemente oder Reste aus deren Wiederaufarbeitung, strahlen über Zehntausende von Jahren und entwickeln dabei große Hitze.

Dagegen findet sich in der Asse, in Gronau und dereinst in Schacht Konrad der sogenannte "schwach- und mittelaktive Müll"; er entwickelt weniger Hitze, dafür aber mehr Gase. Das können Abfälle aus der Forschung oder aus Krankenhäusern sein, aber auch radioaktive Trümmerteile abgerissener Atomkraftwerke. Folgerichtig braucht dieser Müll deutlich mehr Platz als Castoren mit hochradioaktiven Brennelementen. Der neue Auftrag an die Kommission lautet nun: Findet ein Endlager für beides.

Das macht die Sache nicht einfacher. Zwar gab es immer wieder Pläne, beide Arten von Atommüll in ein Endlager zu versenken. Aber die Anforderungen sind dann andere. "Das Entscheidende ist die räumliche Ausdehnung", sagt Wolfgang Cloosters, der zuständige Abteilungsleiter im Bundesumweltministerium. "Es dürfte jedoch unstreitig sein, dass man beides gemeinsam lagern kann, in unterschiedlichen Lagerräumen." Die Suche nach einem Standort werde das nicht erschweren. Nur müsste das neue Endlager eben wesentlich größer werden als bisher geplant.

"So gewinnt man kein Vertrauen"

Ob es wirklich so kommt, soll aber nun die Endlagerkommission selbst entscheiden. Sie muss bis spätestens Mitte kommenden Jahres Kriterien für die Suche darlegen. Sollte sie sich gegen die gemeinsame Lagerung beider Abfallarten entscheiden, käme womöglich das Bergwerk bei Salzgitter doch wieder ins Spiel. "Ich kann nicht garantieren, dass Schacht Konrad endgültig außen vor ist", sagt Hendricks.

Die Gegner des 7,5-Milliarden-Euro-Projekts bleiben deshalb skeptisch. "So gewinnt man kein Vertrauen", sagt Ludwig Wasmus, Kopf der Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad. "Letztlich wurde die Entscheidung nur um ein Jahr verschoben." Auch Bürgermeister Klingebiel spricht erst mal nur von einem "Teilerfolg". Als nächstes solle die Endlagerkommission sich mal den 1977 geplanten Schacht genauer anschauen. "Konrad würde so einer Überprüfung nicht standhalten", sagt Klingebiel. "Wir kämpfen weiter."

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