Ende von Schwarz-Grün in Hamburg:Chronik eines angekündigten Todes

Am Ende wollten die Grünen nur noch raus: Es gibt viele Gründe für das Scheitern der schwarz-grünen Koalition in Hamburg - doch besonders schwer wog der Rückzug von Bürgermeister Beust. Sein Nachfolger Ahlhaus agierte von Anfang an glücklos.

Jens Schneider

Die Klausur der Hamburger Grünen-Fraktion im Eimsbütteler "Young Hotel" war seit Monaten angesetzt. Ein Routinetermin mit dem Vorstand und den Senatoren für eine Zwischenbilanz, der sich jedoch von Samstagmorgen an zur finalen Konferenz über die schwarz-grüne Koalition entwickeln sollte. Einige waren schon mit dem Entschluss gekommen, aus dem Bündnis mit der CDU auszusteigen. Bei anderen reifte die Entscheidung während der 14 Stunden dauernden Diskussion. Am Ende wollten alle raus aus einer Verbindung, die seit Wochen nicht funktionierte. Raus, bevor die Liaison dem Ruf der Grünen noch mehr schadet. So erhielt CDU-Bürgermeister Christoph Ahlhaus am Sonntagvormittag den Anruf, dass es vorbei ist - und die Grünen Neuwahlen beantragen werden. Die hoffen nun, bald gemeinsam mit SPD-Chef Olaf Scholz regieren zu können.

Ende von Schwarz-Grün in Hamburg

Er war vom Ende des schwarz-grünen Bündnisses überrascht: Hamburgs Erster Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) war stets nur der glücklose Nachfolger von Ole von Beust.

(Foto: dpa)

Der glücklos agierende Christdemokrat Ahlhaus hätte gern noch weitergemacht, und es sagt einiges über sein politisches Gespür, dass er über das Ende sehr überrascht war und am Sonntag erst eine Antwort finden musste. Die Entwicklung konnte ihn eigentlich nicht überraschen. Denn die letzten Monate dieses vor zweieinhalb Jahren harmonisch gestarteten Modells lesen sich wie die Chronik eines angekündigten Todes. Am Ende war diese Koalition eigentlich bereits am 18. Juli, als zeitgleich ihre große Schulreform scheiterte und Bürgermeister Ole von Beust sein Amt aufgab. Sein Nachfolger Ahlhaus warb damals inständig bei den Grünen um eine Fortsetzung. Er biederte sich geradezu an, als er vor ihrer Parteibasis für sich warb. Für den Moment überzeugte viele seine Charme-Offensive. Nun sagt Grünen-Chefin Katharina Fegebank, dass ihre Partei dieser Koalition im Sommer noch eine Chance gegeben habe. "Unsere Erwartungen wurden aber nicht erfüllt."

Es gebe in dieser Koalition keine Verlässlichkeit und keinen gemeinsamen Geist mehr, begründet sie den Ausstieg. Es gibt nicht den einen großen Grund für diesen Koalitionsbruch, sondern viele kleine Anlässe, die sich summierten, wie die Zweite Bürgermeisterin und Schulsenatorin Christa Goetsch erklärte. "Die Absprachen mit dem Koalitionspartner waren nicht mehr belastbar." Ständig seien Vereinbarungen mit Ahlhaus von der zweiten Reihe unterlaufen worden, klagen die Fachpolitiker. Manche von ihnen erscheinen ratlos, ob es sich um schlechte Koordination oder bösen Willen handelte - also den Versuch der CDU, den Partner zunehmend ins Leere laufen zu lassen.

Politik hat viel mit Personen zu tun. Ole von Beust und ebenso der Chef seiner Senatskanzlei, Volkmar Schön, pflegten einen engen Draht zu den Spitzen der Grünen und waren gegenüber ihrer CDU so stark, dass potentielle Konflikte schon in der Frühphase entschärft wurden. Ahlhaus hatte diese Stellung nicht, sein Senatskanzlei-Chef noch weniger. Die von der CDU bestellte Senatoren-Riege, "Christophs Reste-Rampe", wie die Grünen spotteten, fing mit kleinen Fehlern an und steigerte sich dann in die Blamage.

Ahlhaus hatte kein glückliches Händchen. Bundesweit verlacht wurde sein Kultursenator Reinhard Stuth für ein Sparprogramm, das die Grünen vor ihrer Klientel nicht rechtfertigen mochten, und das nach den Protesten gekippt wurde. Vom parteilosen Wirtschaftsenator Ian Karan wurde vor dem Start bekannt, dass er seine Biografie geschönt hatte. Im Stadtparlament fiel Karan nur einmal auf, als er nämlich versehentlich an einer falschen Stelle zu einer Grundsatzrede über den Arbeitsmarkt ansetzte, bis das Präsidium ihn stoppte.

Dass Ahlhaus bis zu dessen Rücktritt in der letzten Woche an Finanzsenator Carsten Frigge festhielt, obwohl der durch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen belastet war, hielten die Grünen von Beginn an für einen Fehler. Frigge habe auch ihre Forderungen nach einem konsequenten Vorgehen in der HSH-Nordbank-Affäre über Wochen ins Leere laufen lassen, klagen sie. Darüber wäre die Koalition schon vor zwei Wochen beinahe geplatzt. Jetzt sagen führende Grüne, dass sie bei schweren Krisen künftig nicht das Vertrauen hätten, mit der CDU eine Lösung zu finden.

Peinlich fanden sie auch die Versuche des in der Stadt noch fremden Bürgermeisters Ahlhaus, sich beliebt zu machen. "Geradezu unerträglich" und für Hamburg unpassend sei ein mondän gemeintes Foto mit seiner Frau für eine Personality-Story in der Illustrierten Bunte gewesen. Wie ein Fürsten-Paar posierten die beiden (sie schmiegte sich als elegante First Lady an ihn) just in der Woche, in der ein massives Sparprogramm beschlossen wurde. Hamburger sind nicht wirklich immer bescheiden; aber es gehört zum Hanseaten, so zu tun.

Lauter kleine Tröpfchen und einige heftige Güsse brachten die Sache schließlich zum Überlaufen. Dabei sind die Motive für den Ausstieg keineswegs nur edel. Jeder Tag länger mit der CDU hätte auch ihnen geschadet, befanden die Grünen. Es gab keine großen gemeinsamen Projekte mehr - außer dem ursprünglich grünen Anliegen, eine Stadtbahn zu bauen. Das aber stößt wie die gescheiterte Schulreform auf Skepsis bei den Bürgern und fand nur halbherzig Unterstützung bei der CDU.

Die steht nun vor einem Scherbenhaufen. Drei Monate nach dem Rücktritt ihres langjährigen Bürgermeisters Ole von Beust könnte die CDU wieder dort angekommen sein, wo sie vor dessen Amtsantritt waren. Er hatte sie zur modernen Großstadt-Partei gemacht und Schwarz-Grün als Modell für die historische Versöhnung zwischen Ökonomie und Ökologie erklärt. Jetzt fehlt ihnen in Hamburg, wo die FDP schon lange nicht den Sprung ins Parlament geschafft hat, ein Partner. Und sie haben ein Personal-Problem. Parteichef Frank Schira, Spitzname "DLF - Der leichte Frank", gilt intern als geschickter Machtpolitiker, ohne inhaltliches Fundament allerdings. Ahlhaus fehlt die Bindung zur Stadt. Am Sonntagnachmittag wurde er dennoch als Spitzenkandidat nominiert. Die Grünen, sagte er bedauernd, hätten sich von der Zusammenarbeit zum Machtkalkül bewegt.

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