"Ende Gelände":Warum Klimaaktivisten jetzt Gas-Terminals lahmlegen wollen

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Aktivisten stehen am Freitag vor gelagerten Rohrleitungen auf der Baustelle für die geplante Gaspipeline in Wilhelmshaven. (Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa)

Das Klimabündnis "Ende Gelände" trifft sich zu Aktionstagen in Norddeutschland. Eine erste Blockade läuft, weitere sind geplant. Die Aktivisten drohen mit einer Eskalation ihrer Proteste.

Von Yannik Achternbosch, Hamburg

"Break the Chains of Fossil Capitalism", ruft ein Banner auf der Spitze eines Zirkuszelts dazu auf, die "Ketten des fossilen Kapitalismus" zu sprengen. Auf den Wiesen rundherum stehen Zelte, überwiegend junge Menschen schlendern umher. Zum "System Change Camp" treffen sich am Altonaer Volkspark in Hamburg seit Mittwoch Aktivisten aus der Klimagerechtigkeitsbewegung. Neben Workshops und Vernetzungstreffen mit Gleichgesinnten aus anderen Ländern haben sie Aktionen zivilen Ungehorsams in Norddeutschland angekündigt.

Den Auftakt machten am Donnerstag einige Aktivisten im Küstenstädtchen Brunsbüttel. Sie blockierten ein Werkstor des Düngemittelherstellers Yara. Die Aktivisten gehören zu "Ende Gelände", einem Bündnis aus der Klimagerechtigkeitsbewegung, das seit der Gründung 2015 vor allem für spektakuläre Blockaden von Kohleinfrastruktur bekannt wurde: weiße Maleranzüge vor monströsen Kohlebaggern in riesigen Gruben.

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Im vergangenen Jahr in Brunsbüttel wollte die Bewegung mit einer Blockade schon den thematischen Sprung schaffen, statt Kohle sollte es um Gas gehen. In der Elbe vor der Stadt war ein Terminal für Flüssiggas (LNG) geplant. Die Aktion fand im August 2021 statt, da war LNG noch ein Nischenthema. Damals forderten die Aktivisten den Ausstieg aus allen fossilen Energien, zu denen eben auch flüssiges Gas gehört.

Jetzt, im August 2022, hat sich die Sachlage grundlegend geändert: Die Bundesregierung hat, um schneller unabhängig von russischem Gas zu werden, die Genehmigungsverfahren für LNG-Terminals beschleunigt. Unter anderem vor Brunsbüttel und Wilhelmshaven sollen schon zum Jahreswechsel Terminals in Betrieb gehen.

Sie wollen jetzt "die volle Bandbreite des zivilen Ungehorsams" nutzen

Zudem will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auch Kohlekraftwerke wegen der Folgen des russischen Angriffskriegs länger laufen lassen. "Natürlich fassen wir uns alle an den Kopf und fragen uns, was geht ab?", sagt Luka Scott, Pressesprecherin von Ende Gelände. All das wirkt zwar wie ein Rückschlag für die Klimabewegung, aber Scott betont, ihr Bündnis sei in den vergangenen Jahren erfolgreich gewesen: "Ende Gelände hat es geschafft, Kohle und die Klimakrise präsent zu halten."

Die kriegsbedingte Gaskrise wiederum zeige, so Pressesprecherin Scott, dass "Gas Kriegsenergie ist und Gas Brandbeschleuniger der Klimakrise ist". Aus ihrer Sicht führt eine sehr akute Krise, der Krieg in der Ukraine, aktuell dazu, dass die Bekämpfung einer anderen Krise, der Klimakrise, große Rückschritte macht.

Anders ist neben dem Ort und der neuen Thematik für die Aktivisten noch ein weiterer Punkt: Ende Gelände ist, zumindest auf dem Papier, bereit für eine Ausweitung der Protestformen. Der Hinweis darauf findet sich im "Aktionskonsens", den das Bündnis vor jeder Aktion veröffentlicht. Er ist eine Selbstverpflichtung, soll den zivilen Ungehorsam für die Aktivisten und die Polizei halbwegs kalkulierbar machen. Eine entscheidende Änderung wurde daran vorgenommen: Aktivisten könnten fossile Infrastruktur "über [ihre] Präsenz hinaus außer Betrieb nehmen".

Nun will Ende Gelände also "die volle Bandbreite des zivilen Ungehorsams" nutzen, sagt Scott - oder sich zumindest die Möglichkeit dazu offenhalten. Das dürfte auch Sachbeschädigung einschließen. Ob die jedoch noch vom Begriff "ziviler Ungehorsam" gedeckt wäre, ist umstritten. Die Hamburger Polizei hat Anfragen zu den neuen Aktionsformen der Klimaaktivisten bisher nicht beantwortet.

Bei Wilhelmshaven setzten sie ihre Aktionstage am Freitag jedenfalls fort. Seit dem Mittag blockierten 300 von ihnen dort die Baustelle des LNG-Terminals. Die Arbeiten mussten vorübergehend eingestellt werden. Eine weitere Gruppe von Aktivisten wurde von der Polizei auf dem Weg nach Brunsbüttel gestoppt. Von möglichen Sabotageakten wurde am Freitag zunächst nichts bekannt.

Mit den Aktionstagen wollen die Aktivisten von Ende Gelände den öffentlichen Fokus auf fossile Energieträger nutzen, um ihrer Position Gehör zu verschaffen. Neue Orte, neue Aktionen sollen dabei helfen - auch wenn die spektakulären Kohlegruben-Bilder dafür ausbleiben. Für das Wochenende haben sie weitere Aktionen angekündigt.

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