Süddeutsche Zeitung

Ende des Atomstreits:Was die Einigung mit Iran bedeutet

Wer kontrolliert, dass Teheran nicht doch an einer Atombombe bastelt? Was heißt das Ende der Sanktionen für die iranische Wirtschaft - und für den Benzinpreis in Deutschland? Fragen und Antworten zum Atomabkommen mit Iran.

Von Paul Munzinger

Eine Sternstunde der Diplomatie, ein Beweis, dass sich Dialog lohne, ein Meilenstein, der unsere Welt sicherer macht: Nach mehr als einem Jahrzehnt zäher Verhandlungen haben die fünf UN-Vetomächte und Deutschland (5+1-Gruppe) den Atomstreit mit Iran beigelegt - und Politiker aus Washington und Teheran, aus Brüssel und Berlin überbieten sich gegenseitig im Herausstreichen der historischen Dimension dieses Abkommens.

Doch was bedeutet die Einigung im Einzelnen? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Wie wird sichergestellt, dass Iran keine Atombombe baut?

Das Abkommen mit Iran, das betonte US-Präsident Barack Obama schon im März, beruhe nicht auf Vertrauen und Absichtserklärungen. Es beruhe auf Kontrolle. "Wenn Iran betrügt, wird die Welt es wissen", sagte Obama damals. Diese Botschaft hat er in einer Fernsehansprache noch einmal bestätigt, wohl vor allem im Hinblick auf die Kritiker des Abkommens in Israel und unter den US-Republikanern.

Die Regelungen entsprechen den im April in Lausanne vereinbarten Eckpunkten, die nun auf mehr als hundert Seiten "ausbuchstabiert" wurden, wie Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte - und zwar "ohne Abstriche und ohne Schlupflöcher". Demnach sollen alle iranischen Atomanlagen, auch die Forschungs- und Produktionsstätten, von der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) bis zu 25 Jahre lang umfassend untersucht werden. Darüber hinaus soll die IAEA kurzfristig angekündigte Inspektionen abhalten, auch in Militäranlagen. Iran kann zwar Einspruch gegen einzelne Inspektionen erheben, doch das letzte Wort hat eine von Iran und der 5+1-Gruppe gemeinsam gebildete Kommission. Und hier haben die internationalen Mächte die Mehrheit.

Wann fallen die Sanktionen gegen Iran?

Die Sanktionen gegen Iran werden nicht mit Unterzeichnung des Abkommens aufgehoben. Voraussetzung ist vielmehr die Bestätigung der IAEA, dass Teheran seinen Teil des Abkommens erfüllt. Im Gegenzug lockern die EU, die USA und die Vereinten Nationen ihre Strafmaßnahmen Schritt für Schritt. Bis die ersten Sanktionen tatsächlich aufgehoben werden - zum Beispiel die für die Bevölkerung besonders schmerzhaften Finanz- und Handelssanktionen -, könnte also noch Zeit vergehen. Als möglicher Termin für den Anfang vom Ende der Sanktionen gilt 2016. Das UN-Waffenembargo gegen Teheran bleibt noch weitere fünf Jahre in Kraft, die Sanktionen gegen das ballistische Raketenprogramm sollen sogar erst nach acht Jahren aufgehoben werden.

Was passiert, wenn Iran gegen die Auflagen verstößt?

Sollte Iran gegen die Bedingungen des Abkommens verstoßen, dann würden die Sanktionen sofort wieder "zuschnappen", wie US-Präsident Obama sagte. Das heißt konkret: Wenn Teheran seine Verpflichtungen nicht erfüllt, werden die Sanktionen innerhalb von 30 Tagen wieder in Kraft gesetzt - und zwar selbst dann, wen ein Mitglied des UN-Sicherheitsrats - zum Beispiel Russland oder China - ein Veto einlegt.

Was bedeutet das Ende der Sanktionen für Iran?

Nach dem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen in Wien zog der iranische Präsident Hassan Rohani ein erstes Resümee des Paktes an Strafmaßnahmen, das die USA, die EU und die Vereinten Nationen seit 2006 verhängt haben. "Das Sanktionssystem war niemals erfolgreich", sagte Rohani in Teheran, "beeinträchtigte aber zur gleichen Zeit das Leben der Menschen".

Was den Erfolg angeht, kann man durchaus anderer Meinung sein. Die Sanktionen haben Iran schwer getroffen - und letztlich an den Verhandlungstisch gezwungen, glaubt Heidi Walcher, Expertin für iranische Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. "Für Iran war es eine wirtschaftliche und innenpolitische Notwendigkeit, eine Erleichterung der Sanktionen zu erreichen".

Das Ölembargo, seit 2012 in Kraft, hat das Land wohl mehr als die Hälfte seiner Einnahmen gekostet. Die Beschränkungen des Im- und Exports lasten auf der Wirtschaft, der es an Ersatzteilen für die Industrie ebenso mangelt wie an Investitionen, die durch den eingeschränkten Finanzverkehr behindert werden. Und verglichen beispielsweise mit dem Mitte der 1990er Jahre von US-Präsident Bill Clinton ausgerufenen Handelsembargo waren die jüngsten Strafmaßnahmen besonders wirksam, sagt Walcher. Einmal, weil der Westen, USA und EU, geschlossen hinter den Sanktionen gestanden habe. Und zweitens, weil die Einhaltung der Sanktionen weit stärker kontrolliert worden sei als früher. "Eine Aufhebung der Sanktionen ist eine große Erleichterung für das Land."

Und eine große Chance, auch für ausländische Unternehmen. So werden zum Beispiel etwa 100 französische Firmen im September in Iran erwartet. Und auch die deutsche Wirtschaft hat bereits wissen lassen, dass sie eine Verdopplung des Exports innerhalb von zwei Jahren für möglich hält.

Wird das Benzin jetzt billiger?

Das Abkommen mit Iran war noch nicht einmal unterzeichnet, da warf es an den Börsen seine Schatten bereits voraus. An drei Tagen in Folge fiel der Ölpreis. Waren das schon die Vorboten eines allgemeinen Trends, ausgelöst vom Ende der Sanktionen und der Rückkehr Irans in den Kreis der Länder, die die Welt mit Erdöl versorgen?

"Nicht von heute auf morgen, aber mittelfristig werden die iranischen Ölexporte steigen", sagt Lars Ehrlich, der für das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) die Entwicklung der Rohstoffpreise beobachtet. Und das drückt den Preis, der seit einem Jahr ohnehin so niedrig ist wie lange nicht mehr. Das Land ist keiner der ganz großen Player wie Saudi-Arabien, Russland oder die USA. Derzeit beläuft sich der Anteil Irans an der weltweiten Erdölproduktion etwa auf 1,3 Prozent - vor Beginn der Sanktionen war er fast doppelt so hoch.

Und die Benzinpreise? Wird der deutsche Autofahrer die Auswirkungen der Verhandlungen in Wien ganz unmittelbar im Geldbeutel bemerken? "Tendenziell ja", glaubt Ehrlich, es gibt jedoch ein großes "Aber". Den Benzinpreis in Deutschland bestimmt hauptsächlich die Politik - nicht die große, wie jetzt in Wien, sondern die kleinere in Berlin. Die Steuern und Abgaben machen etwa zwei Drittel des Benzinpreises aus - und die werden sich erstmal nicht verändern. An der deutschen Tankstelle dürfte sich das Ende der Sanktionen also bemerkbar machen - aber weniger stark als auf dem Weltmarkt.

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