EnBW-Affäre in Baden-Württemberg:Wenn Mappus' Desaster zu Merkels Dilemma wird

Stefan Mappus, der Maultaschen-Machiavelli aus Pforzheim, ist zum Gottseibeiuns der Christdemokraten geworden. Die Affäre um den Rückkauf von EnBW-Anteilen könnte auch für die Bundes-CDU gefährlich werden. Da bleibt man in Berlin lieber auf Distanz zum früheren Regierungschef Baden-Württembergs. Aber so einfach ist das nicht.

Robert Roßmann, Berlin

Die Szene ist keine zwei Jahre alt. Und doch erscheint sie wie aus dem Paläozoikum der CDU: Im November 2010 besucht Angela Merkel eine Firma für Photovoltaik in Reutlingen. Beim Rundgang trifft die Kanzlerin eine Gruppe Merkel-Fans, die um ein gemeinsames Foto bitten. Die Kanzlerin stimmt zu - die Fans drücken ihre Kamera dem kleinen dicken Mann neben Merkel in die Hand: Stefan Mappus soll das Foto machen. Doch da greift die Bundeskanzlerin ein. Mappus muss unbedingt mit aufs Bild, findet Merkel. Eine Staatssekretärin wird zur Fotografin degradiert.

Landtagswahlen im Zeichen von Merkels Bundesproblemen

Angela Merkel und Stefan Mappus auf einem Foto - heute ein kaum mehr denkbares Motiv.

(Foto: dpa)

Heute ist eine solche Szene unvorstellbar - Regierungssprecher Steffen Seibert würde sich zur Not selbst vor Mappus stellen, um gemeinsame Bilder des Baden-Württembergers mit der Kanzlerin zu verhindern. Stefan Mappus, der Maultaschen-Machiavelli aus Pforzheim, ist zum Gottseibeiuns der Christdemokraten geworden. Die Affäre um den Rückkauf von EnBW-Anteilen könnte auch für die Bundes-CDU gefährlich werden. Da bleibt man lieber auf Distanz. Aber so einfach ist das nicht.

Wie schwer sich die Berliner im Umgang mit Mappus tun, zeigte sich vergangenen Montag im Adenauer-Haus. Generalsekretär Hermann Gröhe musste sich nach der Vorstandssitzung den Fragen der Journalisten stellen. Ja, dies sei "keine einfache Situation" für die CDU Baden-Württemberg, sagte Gröhe. Aber er habe "volles Vertrauen", dass der Landesverband damit "verantwortungsbewusst" umgehe. Jetzt müssten "die parlamentarischen und gerichtlichen Verfahren abgewartet" werden. Vor deren Abschluss seien "Vorverurteilungen fehl am Platz".

Dilemma an der CDU-Spitze

Aus den unentschiedenen Floskeln spricht das ganze Dilemma der CDU-Spitze. Einerseits kann sie nicht gutheißen, was Mappus angerichtet hat. Anderseits darf sie mit ihm nicht zu hart ins Gericht gehen, weil gerade konservative Wähler Loyalität und Zusammenhalt schätzen. Außerdem ist Merkel nicht ganz unschuldig an der Situation - hat sie selbst doch Günther Oettinger in die EU-Kommission weggelobt, um den Weg für Mappus in die Stuttgarter Staatskanzlei frei zu machen. Vor allem aber ist der Landesverband viel zu wichtig für die Bundes-CDU, als dass man seine Geschlossenheit und Kampagnenfähigkeit aufs Spiel setzen möchte.

Die Bedeutung Baden-Württembergs für die Bundes-CDU zeigt schon ein Blick aufs Personal. Unionsfraktionschef Volker Kauder kommt aus dem Ländle, ebenso Merkels wichtigster Minister, Wolfgang Schäuble, und Merkels Stellvertreterin im Parteivorsitz, Annette Schavan. Baden-Württemberg stellt auf CDU-Parteitagen 149 Delegierte, nur aus Nordrhein-Westfalen kommen mehr.

Wiederwahl in Gefahr

71.000 Mitglieder hat der Landesverband, das sind mehr als Linke, Grüne oder Liberale bundesweit besitzen. Noch wichtiger ist allerdings der Beitrag, den der Südwesten für die Wahlerfolge Merkels aufbringt. Fast zwei Millionen CDU-Stimmen kamen bei der Bundestagswahl 2009 aus Baden-Württemberg. Ohne ein gutes Ergebnis im Südwesten ist die Wiederwahl Merkels gefährdet.

Bis zur Aufnahme der Ermittlungen gegen Mappus waren die Strategen im Adenauer-Haus noch zuversichtlich, dass Baden-Württemberg seinen Anteil auch bei der Bundestagswahl 2013 wieder bringen kann. Schließlich sei die CDU selbst bei der Katastrophen-Landtagswahl nach Fukushima noch auf 39 Prozent gekommen - und habe damit gewaltige 15 Punkte vor den Grünen und der SPD gelegen. Wie schwarz das Land noch immer sei, zeige schon ein Blick auf die Wahlkreise: 60 von 70 habe die CDU gewonnen, trotz des Atomunfalls, trotz Stuttgart 21. Die EnBW-Affäre zerschlägt jetzt allerdings die Hoffnungen auf eine schnelle Rekonvaleszenz.

Das Desaster von Stuttgart trifft die Union im Bund auch deshalb so hart, weil sich ihre Lage in den beiden anderen wichtigen Ländern ebenfalls verdüstert hat: In Bayern könnte die CSU nächstes Jahr zum ersten Mal seit einem halben Jahrhundert aus der Regierung gejagt werden. Und in Nordrhein-Westfalen ist die CDU bei der Landtagswahl auf 26 Prozent abgestürzt. Um zu ermessen, was das für Merkel bedeutet, genügt ein Blick auf das Ergebnis der Bundestagswahl 2009. In Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern gewann die Union insgesamt 127 Bundestagsmandate, in allen 13 anderen Ländern zusammen nur 112.

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