Empörung über Razzien gegen Menschenrechtler:Arabischer Winter in Kairo

Ägyptische Sicherheitskräfte unterdrücken Proteste brutal, foltern in Gefängnissen - und jetzt geraten sogar ausländische Organisationen ins Visier des Militärregimes. Nach der Durchsuchung der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kairo protestieren deutsche Politiker scharf, der ägyptischen Botschafter musste sich in Berlin harte Kritik anhören. Immer offensichtlicher wird: Der Militärrat versagt bei der Gestaltung des Übergangs in Ägypten.

Sebastian Gierke und Oliver Das Gupta

Weiße Tauben, Friedenstauben, schwingen sich in die Höhe. Darunter feiernde Menschen. Sie schwenken die ägyptische Fahne, lachen, einer zeigt das Victory-Zeichen. Aus den Gesichtern spricht Zuversicht.

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Razzia mit dem Gewehr im Anschlag: Durchsuchung des Büro einer regierungskritischen Nichtregierungsorganisation in Kairo.

(Foto: AP)

Eine Szene vom Tahrir-Platz. Eine Szene, wie es sie oft zu sehen gab, in Kairo, Anfang des Jahres, als der Arabischen Frühling endgültig in Ägypten angekommen war. Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) hat diese Szene auf das Titelblatt eines Magazins genommen, das von Schülern der Deutsch-Arabischen-Journalistenakademie angefertigt wurde.

Tahrir, das ist auch der Titel des Magazins, das sich mit der politischen Lage in Ägypten beschäftigt. Redaktionsschluss war der 25. Juni 2011. Damals, als der autokratische Dauer-Präsident Hosni Mubarak gestürzt war und viele Ägypter voller Hoffnung waren. Seitdem hat sich viel verändert. Nicht unbedingt zum Positiven. Doch auch im Sommer schrieben die jungen Journalisten schon darüber, wie die Menschenrechte in Ägypten immer noch mit Füßen getreten werden. Ruprecht Polenz, CDU-Politiker und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, würdigt den Einsatz der politischen Stiftungen wie der KAS in Ägypten. Sie berichteten auch über Menschenrechtsverletzungen wie etwa das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte bei Protesten und machen es weltweit öffentlich, sagt er zu sueddeutsche.de.

Jetzt hat die Adenauer-Stiftung erfahren müssen, wie gefährlich es sein kann, ins Visier der Mächtigen im Land am Nil zu geraten. Am Donnerstag durchsuchten ägyptische Behörden die Büros von 17 Menschenrechtsorganisationen und ausländischen Institutionen in Kairo, darunter auch das der KAS. "Das Militärregime will nicht, dass man ihm auf die Finger schaut", sagt CDU-Politiker Polenz, "deshalb setzt es auf Repression" - auch, wenn es sich um ausländische Organisationen handelt.

Das staatliche Ägyptische Fernsehen meldete, dass Staatsanwälte in Begleitung von Polizisten nach Hinweisen gesucht hätten, ob die ins Visier geratenen Organisationen ohne Lizenz arbeiteten und ohne Erlaubnis der ägyptischen Behörden aus dem Ausland Geld erhalten hätten.

Das Auswärtige Amt in Berlin reagierte sofort und erklärte, wegen der Durchsuchung "sehr besorgt" zu sein. Außerdem erwartet man in Berlin "eine umgehende Aufklärung dieses Vorgangs". Außenminister Guido Westerwelle erwarte, "dass die Angelegenheit möglichst schnell aus der Welt geschafft wird und die Stiftung ihre Arbeit ohne Behinderungen fortsetzen kann", sagte eine Sprecherin.

"Sie rennen gegen die Wand des alten Establishments"

Auch die KAS selbst forderte die ägyptische Regierung auf, die Behinderung ihrer Tätigkeit in Kairo schnell zu beenden. Das "ungehinderte Arbeiten von Nichtregierungsorganisationen, die den Werten von Freiheit, der Würde des Menschen, der Demokratie und des Rechtsstaates verpflichtet sind, ist unverzichtbar für die Entwicklung einer demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung in Ägypten", erklärte der KAS-Vorsitzende Hans-Gert Pöttering.

Das deutsche Außenministerium bestellte außerdem den ägyptischen Botschafter ein. Dem Diplomaten sei klar gemacht worden, dass dieses Vorgehen inakzeptabel ist, sagte AA-Sprecher Andreas Peschke in Berlin - eine diplomatische Reaktion, die Außenpolitiker Polenz für richtig hält. Schließlich seien "solche Razzien kein Pappenstiel, gerade für die Mitarbeiter".

Markus Löning, der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung sagt zu sueddeutsche.de, die Razzien in Kairo seien "schärfstens zu verurteilen". Der FDP-Politiker traf vor einigen Wochen in Kairo mit Menschenrechtlern zusammen, unter anderem mit Angehörigen des zwischenzeitlich inhaftierten Bloggers Alaa Abdel Fattah. Man habe den Oppositionellen eine gewisse Erschöpfung und Resignation angemerkt, sagt der FDP-Politiker. "Sie rennen gegen die Wand des alten Establishments" - den Leuten, die schon in der Mubarak-Ära Fäden in der Hand hielten. Allerdings seien sie nach wie vor couragiert und wollten nicht aufgeben. Eindringlich ruft Löning dazu auf, die Aktivisten, die Ägypten friedlich demokratisieren wollen, offen und nachdrücklich zu unterstützen.

Versprechen nicht eingehalten

Doch nicht nur aus Deutschland kam harsche Kritik an den Durchsuchungen. "Mit dieser Kampagne will der Militärrat die Aktivisten, Menschenrechtsgruppen und Kräfte der Januar-Revolution diffamieren und stigmatisieren", erklärten 27 Menschenrechtsgruppen in einer gemeinsamen Stellungnahme. Ein solches Vorgehen habe es nicht einmal zur Zeit des gestürzten Präsidenten Hosni Mubarak gegeben. Der Militärrat versuche, damit sein Versagen bei der Gestaltung des Übergangs in eine Demokratie zu verschleiern.

Tatsächlich gibt es seit Monaten immer wieder schwere Vorwürfe gegen den Militärrat. Die Menschenrechtslage in Ägypten hat sich seit dem Sturz Hosni Mubaraks jedenfalls nicht verbessert - eher im Gegenteil. Schon Ende November hat die Organisation Amnesty International das in einer Studie festgehalten.

Das Militär habe "komplett versagt", seine Versprechen in Bezug auf Menschenrechte einzulösen. Vielmehr werde die "Tradition der Repression" Mubaraks fortgesetzt, gegen die die Demonstranten Anfang des Jahres unter Einsatz ihres Lebens gekämpft hätten. Oft gingen die Militärs sogar härter gegen Kritiker vor als das abgesetzte Regime Mubaraks.

"Eine Regierung kann mit ihrem Volk nicht machen, was sie will"

12.000 Zivilisten seien seit dem Sturz Mubaraks im Februar in unfairen Prozessen vor Militärgerichten verurteilt worden, berichtete Amnesty. Ihnen sei unter anderem vorgeworfen worden, die Ausgangssperre verletzt, die Armee beleidigt oder sich rücksichtslos verhalten zu haben. Mindestens 13 Menschen seien zum Tode verurteilt worden.

Empörung über Razzien gegen Menschenrechtler: Ägypterinnen, die gegen den so genannten "Jungfrauentest" demonstrieren, den Sicherheitsbeamte immer wieder erzwingen, um regimekritische Frauen zu demütigen.

Ägypterinnen, die gegen den so genannten "Jungfrauentest" demonstrieren, den Sicherheitsbeamte immer wieder erzwingen, um regimekritische Frauen zu demütigen.

(Foto: AFP)

Vor allem der Fall des Bloggers Maikel Nabil machte Schlagzeilen. Er wurde im April zu drei Jahren Haft verurteilt wurde, nachdem er das Militär öffentlich kritisiert hatte. Nach einem Hungerstreik wurden ihm Amnesty zufolge wichtige Medikamente verweigert. Gerade haben in einem gemeinsamen Appell 30 Aktivisten und Menschenrechtsgruppen seine Freilassung gefordert.

Nabil hatte in seinem Blog geschrieben, die Armee schütze ihre eigenen Interessen und nicht die des Volkes. Im August war er in einen Hungerstreik getreten. Nach Angaben von UN Watch nimmt er mittlerweile nur noch Wasser, statt wie zuvor auch Saft zu sich. Es werde befürchtet, dass sein Zustand "schlimm" sei. "Wenn Maikel Nabil stirbt, stirbt auch der Traum eines freien Ägypten", erklärte der Leiter der Organisation UN Watch, Hillel Neuer, jetzt in Genf.

Tatsächlich wird in ägyptischen Polizeistationen und Gefängnissen weiterhin gefoltert, berichtete Amnesty International. Demnach gaben mehrere Verhaftete nach ihrer Freilassung an, verprügelt und unter anderem mit Elektroschocks misshandelt worden zu sein. Demonstrantinnen wurden gezwungen, sich vor den Augen von Polizisten und Soldaten auszuziehen und einem "Jungfräulichkeitstest" zu unterziehen. Zumindest dieser Test wurde mittlerweile verboten - allerdings von einem Gericht, nicht vom Militärrat. Die Generäle haben sich allerdings für die zum Teil exzessive Gewalt gegen demonstrierende Frauen entschuldigt.

Doch der Militärrat hatte nach dem Sturz Mubaraks im Februar viel mehr versprochen. Die Junta behauptete, sich für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einsetzen zu wollen. Stattdessen gelten weiterhin die Notstandsgesetze der Mubarak-Zeit, die es den Behörden ermöglichen, rigoros gegen Demonstranten vorzugehen. Diese wurden jetzt sogar ausgedehnt.

"Die Entwicklung macht mir große Sorgen", sagt der Menschenrechtsbeauftragte Löning. "Die Mächtigen in Ägypten müssen begreifen, dass sie die Zusammenarbeit mit der westlichen Welt nicht ausbauen können, ohne die Menschenrechte zu beachten."

Diplomatische Gratwanderung

Auch Polenz will den Druck auf Ägyptens Militärrat verstärken, dem der Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi vorsteht: "Die EU und Deutschland sind gefordert, auf den Übergang von dem Militärregime auf eine demokratisch legitimierte Regierung zu drängen".

Polenz weiß, dass dies eine diplomatische Gratwanderung ist, schließlich darf eine gewählte Regierung nicht in den Ruf geraten, vom Westen installiert zu sein. "Wir sollten uns aus parteipolitischen Auseinandersetzungen heraushalten, aber nicht hinnehmen, wenn Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte verletzt werden."

Die Masche, dass ein Regime auf Repression setzt und sich dann, wie früher, die Einmischung in innere Angelegenheiten verbittet, zieht nach den Worten von Polenz nicht mehr: "Staatliche Souveränität im 21. Jahrhundert bedeutet nicht, dass eine Regierung mit ihrem Volk machen kann, was sie will."

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