Emmanuel Macron:Reden wir über Europa

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Der französische Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron hält in Berlin ein entschiedenes Plädoyer für die Europäische Union.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Ganz am Ende seiner Rede wird Emmanuel Macron dann pathetisch. Was Europa angehe, sagt der französische Präsidentschaftskandidat, halte er es mit Willy Brandt: "Es muss zusammenwachsen, was zusammengehört." Macron sagt das auf Deutsch. Was genau zusammengehört, hat er vorher eine Stunde lang ausgeführt: vor allem Frankreich und Deutschland. "Ich will viel mehr Europa, und ich will es mit Deutschland", sagte der parteilose Kandidat am Dienstagabend in einer Rede an der Berliner Humboldt-Universität. Bei der Verteidigung, in der Finanzpolitik, in Handelsfragen und bei der Digitalisierung hätten Deutschland und Frankreich nur zusammen eine Chance. "Wir haben gemeinsame Interessen, und unsere Krisen sind gemeinsame Krisen."

Macron ist der einzige, der sich dezidiert pro-europäisch äußert

Unter den Kandidaten für die französische Präsidentschaft ist Macron mit seiner Bewegung En marche der einzige, der einen dezidiert proeuropäischen Kurs verfolgt. Wenn sich die USA in der internationalen Politik zurückzögen, müssten die Europäer künftig in der Verteidigung mehr Verantwortung übernehmen, auch dies gemeinschaftlich. Ziel müsse ein "Europa der Souveränität" sein, das seine Belange gemeinsam verfolge. "Unser Fehler war, das Wort ,Souveränität' denen zu überlassen, die es nationalistisch auslegen", sagte Macron. "Wie können wir übersehen, dass unsere Herausforderungen globaler Natur sind?" Europa brauche eine neue, eigene Strategie in der Welt.

Nach den Wahlen in Frankreich und Deutschland sollten deshalb Bürgerkonvente zusammentreten, die einige Monate lang über die Zukunft und Prioritäten Europas diskutieren sollen. Dabei solle kein neuer Vertrag "von 200 Seiten" entstehen, sondern eine kurze, knappe "Roadmap". Sie solle aufzeigen, wo die Staaten rasch enger zusammenarbeiten wollen. "Wir müssen die Menschen vereinen", forderte er.

Wiederholt lobte Macron die deutsche Flüchtlingspolitik; kurz vorher hatte er eine Ausbildungsstätte besucht, in der die Deutsche Bahn Geflüchtete schult. Allerdings müsse Deutschland mehr zum Wachstum in Europa beitragen, etwa durch verstärkte öffentliche Investitionen - eine Forderung, die er schon nach Berlin getragen hatte, als er noch Frankreichs Wirtschaftsminister war. Das Amt hatte er niedergelegt, um kandidieren zu können. Für Mittwoch stand auch ein Treffen Macrons mit Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) an. Als Kollegen waren die beiden gut miteinander ausgekommen.

© SZ vom 12.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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