Emissionen:Scheuers "Sammelsurium"

Sieben Millionen

Elektro- und Hybridfahrzeuge im Jahr 2030, das ist das Ziel von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Zum Vergleich: Anfang 2019 lag der Bestand an Elektro-Pkw laut Kraftfahrt-Bundesamt bei etwa 83 000 Fahrzeugen, der von Hybrid-Pkw bei etwa 341 000 Autos - bei insgesamt rund 47 Millionen Personenkraftwagen.

Die Klimaschutzpläne des Verkehrsministeriums stoßen auf Kritik.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Die Pläne des Verkehrsministeriums für den Klimaschutz auf Straße und Schiene stoßen bei Umweltschützern und Opposition auf Kritik. FDP-Fraktionsvize Frank Sitta sprach von einem "planlosen Sammelsurium" an Einzelmaßnahmen: "Milliarden an Subventionen und wilden Ankündigungen für Elektromobilität, Öffentlichen Nahverkehr und Radwege haben schon in der Vergangenheit nur eines erfolgreich geschafft: Geldverschwendung ohne Wirkung." Die Umweltorganisation BUND zweifelt an den Emissionsminderungen, die das Ministerium für einzelne Maßnahmen angesetzt hat.

Zuvor waren Vorschläge des Ministeriums für das entscheidende Treffen des Klimakabinetts bekannt geworden. Danach sollen milliardenschwere Förderprogramme für Elektro-Autos, die Entwicklung alternativer Kraftstoffe und die digitale Ertüchtigung der Bahn helfen, die Klimaziele im Verkehr zu erreichen. Ob das mit den Vorschlägen zum Verkehrsbereich gelingen kann, ist aber selbst innerhalb der Bundesregierung umstritten; überprüfen lässt sich das allerdings nicht mehr. Die sogenannten Kreuzgutachter des Forschungsministeriums, die unabhängig alle strittigen Zahlen überprüfen sollten, hätten die nötigen Daten erst vier Wochen nach der Frist erhalten, hieß es am Freitag aus Regierungskreisen. Die Daten seien aber so dürftig gewesen, dass die Gutachter "kapituliert" hätten. Das Verkehrsministerium bestreitet das: Man habe "umfangreiche Unterlagen zur Verfügung gestellt", nur habe die Zeit nicht gereicht.

Am Freitagabend kamen die Spitzen der Koalition zusammen, um Streitfragen rund ums Klima auszuräumen - etwa zur geplanten Bepreisung von Kohlendioxid. Union und SPD können sich bislang nicht darauf einigen, ob sie dem klimaschädlichen Gas über eine Steuer oder einen nationalen Emissionshandel einen Preis geben sollen. Während die SPD eine Steuer vorzieht, um Kraftstoffe, Erdgas oder Heizöl peu à peu stärker zu belasten, wirbt die Union für einen "marktwirtschaftlichen" Ansatz: Dabei würden die zulässigen CO₂-Emissionen, die im Verkehr und in Gebäuden entstehen dürfen, vorab festgelegt. Mineralölfirmen oder Heizölhändler müssten Emissionszertifikate erwerben, wenn sie Kraft- oder Heizstoffe verkaufen wollen. Aus der Knappheit dieser Zertifikate, die schrittweise verschärft würde, ergäbe sich ein Preis.

Ein entsprechendes Modell haben die Klimaexperten der Union mittlerweile vorgelegt. Danach soll ein Höchstpreis verhindern, dass die Spritpreise zu stark steigen. Werde dieser Preis erreicht, sollen sich zusätzliche Zertifikate "generieren" lassen, etwa durch Klimaschutzprojekte wie die Aufforstung von Wäldern oder die Renaturierung von Mooren.

Experten halten diesen Ansatz für fragwürdig. "Aufforstung ist sicher sinnvoll, Schutz der Moore notwendig", sagt Ottmar Edenhofer, Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und Regierungs-Berater in Sachen CO₂-Bepreisung. "Sie kann jedoch nur eine Ergänzung zur Emissionsreduktion sein, aber kein Ersatz." Entscheidend sei letztlich die Höhe eines Steuersatzes oder Höchstpreises im Emissionshandel. Stattdessen träten manche nun "die Flucht in üppige, aber wirkungslose Förderprogramme" an, sagte Edenhofer der Süddeutschen Zeitung. "Eine andere Fehlform der Klimapolitik, die der CO₂-Bepreisung keine tragende Rolle zutraut."

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