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Elterngeld auf dem Prüfstand:Die Rechnung mit dem Kind

Das Elterngeld scheint nicht zu wirken: Die Geburtenrate in Deutschland ist immer noch niedrig. Dass Unionsfraktionschef Volker Kauder nun einen Check für das Elterngeld fordert, ist auf den ersten Blick pragmatisch - doch er vergisst etwas Wichtiges.

Corinna Nohn

Es gibt eine Rechnung, die niemals aufgehen wird: Niemand bekommt nur deshalb Kinder, weil der Staat Elterngeld zahlt. Manche Paare wagen die Familiengründung deshalb vielleicht früher, oder sie sind eher geneigt, ein weiteres Kind zu bekommen.

Doch die grundsätzliche Entscheidung für Nachwuchs treffen Frauen und Männer, weil sie glauben, dass Kinder zum Leben dazugehören und glücklich machen. In Deutschland kommen so wenig Kinder zur Welt, weil vielen jungen Menschen dieser Glaube fehlt. Sie haben das Gefühl, dass Kinder eine Belastung sind.

Aus dieser Logik heraus mag Unionsfraktionschef Volker Kauder recht haben mit seinem Wunsch, die Regeln zum Elterngeld zu prüfen, falls die Deutschen ihre Geburtenrate bis 2013 nicht deutlich steigern. Aber das Geld zu streichen wäre falsch. Denn dank der Unterstützung gewöhnen Männer ihre Arbeitgeber langsam daran, dass auch Väter beruflich pausieren, um Zeit mit ihren Kindern zu verbringen.

Zwar nutzt die Chance bislang nur jeder fünfte Vater und viele von ihnen nur kurz. Doch in der Arbeitswelt setzt dadurch ein Umdenken ein, das nachwirkt. Vor allem aber zeigt das Elterngeld: Kinder und Erziehungsarbeit sind etwas wert. Daraus könnte das Gefühl wachsen, dass Deutschland doch familienfreundlich ist.

Der Staat kann weitere Akzente setzen, um dieses Gefühl zu stärken, durch Infrastruktur oder steuerliche Anreize für Familien. Die Kalkulation, ob das Elterngeld die Geburtenrate - wie gerade geschehen - nun um zwei oder drei Hundertstel Prozentpunkte steigen lässt, signalisiert etwas anderes: dass Kinder lediglich ein Posten in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung sind.

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Quelle:
SZ vom 19.08.2011/fran/liv
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