Elon Musk und Thierry Breton:Zwei, die sich zur Weißglut bringen

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Ein Gegner, den es sich aus Sicht des Tech-Milliardärs Elon Musk zu beleidigen lohnt: EU-Kommissar Thierry Breton. (Foto: John Thys/AFP)

Elon Musk hält sich für wichtig – Thierry Breton sich aber auch. Nun sind die beiden heftig aneinandergeraten, weil der EU-Kommissar den X-Chef persönlich davor gewarnt hat, „gefährliche Inhalte“ zu verbreiten.

Von Josef Kelnberger, Brüssel

Im Frühjahr 2023 reiste der französische EU-Kommissar Thierry Breton nach Austin, Texas, um Elon Musk von Angesicht zu Angesicht zu erklären, wie er sich zu benehmen hat. Es ging um die Online-Regeln, die die Europäische Union gerade unter seiner Regie beschlossen hatte – um den Kampf gegen Lügen, Hass und Hetze im Netz und die besondere Verantwortung einer großen Plattform wie X, die damals noch Twitter hieß. Hinterher gaben der Kommissar und der Konzernbesitzer vor laufender Kamera ein Statement ab. Es war ein Auftritt ganz nach dem Geschmack des Franzosen.

Breton, oberlehrerhaft in Anzug und Krawatte, bescheinigte seinem Schüler Musk, er habe „sehr gut verstanden“. Musk, der ein T-Shirt trug, verneigte sich mehrmals vor Breton und versicherte, man sei „auf derselben Wellenlänge“. Ein triumphaler Auftritt für Breton. Aber offensichtlich hatte Schüler Musk doch nicht alles verstanden.

Musk antwortet Breton mit einem unflätigen Zitat

Bereits im Dezember 2023 eröffnete die EU-Kommission ein Verfahren gegen Musks Konzern, weil X seinen Verpflichtungen im Kampf gegen Hetze und Desinformation nicht nachkommt. Elon Musk hatte viele Angestellte, die sich um das Moderieren und Entfernen von Inhalten kümmern sollten, einfach entlassen. Das könnte eine Milliardenstrafe zur Folge haben. Am Montag drohte Breton mit weiteren Zwangsmaßnahmen.

Kurz vor Musks „Gespräch“ mit dem von ihm verehrten US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump verschickte Breton einen Mahnbrief an den X-Chef, der, wie es Bretons Art ist, sofort den Weg an die Öffentlichkeit fand. Breton erinnerte an die rechtsextremen Krawalle in Großbritannien, die Musk befeuert hatte. Es bestehe nun die Gefahr, schrieb er, dass bei dem Gespräch mit Trump „gefährliche Inhalte“ auch in der Europäischen Union verbreitet würden. Die Verpflichtung, solche Inhalte zu moderieren, gelte für alle X-Nutzer, „einschließlich Ihnen“.

Aber natürlich denkt Elon Musk nicht daran, sich selbst zu moderieren. Er antwortete Breton auf seinem X-Kanal mit einem Zitat aus dem Hollywoodfilm „Tropic Thunder“, gesprochen von Tom Cruise: „Take a big step back and literally fuck your own face.“ Man darf annehmen, dass ein EU-Kommissar noch nie auf diese Art öffentlich beleidigt wurde. Breton reagierte am Dienstag zunächst nicht, dürfte die Beleidigung aber eher als Auszeichnung empfinden.

Hier der Rechtslibertäre, dort der Regulierungsfreudige

In ihrem politischen Grundverständnis könnten die beiden kaum unterschiedlicher sein, hier der rechtslibertäre Milliardär, dort der regulierungsfreudige Kommissar. Aber in einem Punkt sind sie doch auf einer Wellenlänge: in ihrem Sendungsbewusstsein und ihrem Streben nach öffentlicher Aufmerksamkeit.

Thierry Breton, 69, gilt als Multitalent. Er hat Großkonzerne wie France Telecom geführt, war von 2005 bis 2007 französischer Wirtschafts- und Finanzminister, lehrte als Professor an der Harvard Business School. Staatspräsident Emmanuel Macron schickte ihn nach den Europawahlen 2019 als Kommissar nach Brüssel, weil Sylvie Goulard, seine erste Kandidatin, bei der Anhörung im EU-Parlament durchgefallen war.

Ein bunter Hund im Brüsseler Politikbetrieb

Für den ansonsten eher trockenen Brüsseler Politikbetrieb ist Thierry Breton mit seiner Umtriebigkeit ein wahrer Segen. Das beginnt schon mit seiner Leidenschaft, für seine politische Kommunikation Spotify-Playlists zu nutzen. Anlässlich der Europawahlen reihte Breton auf Spotifiy 42 verschiedene Songs aneinander, um seine Botschaft zu formulieren. Darunter „Beware“, „False Promises“, „Queen of the Populists“, „King of“, „Demagogues“ – so lautet die Passage, in der er vor Demagogen und Populisten warnt.

Sein PR-Talent macht ihn bei den Medien beliebt, bei seinen Kolleginnen und Kollegen in der Kommission nicht unbedingt. Seinen Geschäftsbereich „Binnenmarkt und Dienstleistungen“ interpretiert er sehr weit. Er schreckt auch nicht davor zurück, seine Chefin Ursula von der Leyen öffentlich zu attackieren. Als sie von der Europäischen Volkspartei (EVP) zur Spitzenkandidatin für die Europawahlen 2024 ausgerufen wurde, mokierte Breton sich öffentlich über ihr angeblich schlechtes Wahlergebnis. Was für die Präsidentin wohl noch schmerzlicher war: Breton führte in der Kommission die Rebellion gegen von der Leyens Plan an, den CDU-Politiker Markus Pieper zu ihrem Mittelstandsbeauftragten zu ernennen. Pieper gab schon vor Amtsantritt entnervt auf.

Thierry Breton hat nie die Berichte dementiert, denen zufolge er selbst nach dem höchsten Amt in der Europäischen Union strebt. Aber dieser Wunsch hat sich mit der Niederlage von Emmanuel Macrons Partei bei den Europawahlen erledigt. Immerhin nominierte ihn Macron für eine zweite Amtszeit in der EU-Kommission. Elon Musk wird also weiterhin einen Gegner in der EU haben, den es sich zu beleidigen lohnt.

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