Elfenbeinküste und Libyen:Öl ist wichtiger als Kakao

Libyen und die Elfenbeinküste: zwei Länder, in denen zurzeit heftig gekämpft wird. Doch während die internationale Gemeinschaft in Libyen massiv militärisch interveniert, um "Zivilisten zu schützen", hat sie in der Elfenbeinküste sehr spät ihre Hubschrauber in die Schlacht geschickt. Es ist unglaubwürdig, Militäraktionen allein mit humanitären Prinzipien zu rechtfertigen.

Arne Perras

Libyen und die Elfenbeinküste liegen beide auf dem afrikanischen Kontinent. Doch dieser Teil der Welt ist so groß und reich an Kontrasten, dass die Länder, in denen zur Zeit viele Bomben fallen, wenig miteinander gemein haben - abgesehen von der seltsamen Psyche zweier Männer, die in ihrer Verblendung nicht einsehen wollten und wollen, dass es Zeit geworden ist, die politische Bühne zu verlassen.

Elfenbeinküste und Libyen: Ein jordanischer UN-Soldat während eines Gefechts mit Gbagbo-treuen Kämpfern in Abidjan in der Elfenbeinküste am Sonntag. Zwei Tage später setzten UN-Truppen auch Kampfhubschrauber ein - um "Zivilisten zu schützen".

Ein jordanischer UN-Soldat während eines Gefechts mit Gbagbo-treuen Kämpfern in Abidjan in der Elfenbeinküste am Sonntag. Zwei Tage später setzten UN-Truppen auch Kampfhubschrauber ein - um "Zivilisten zu schützen".

(Foto: AP)

Der eine, Oberst Muammar al-Gaddafi, ist noch nicht am Ende. Und man kann kaum abschätzen, ob er es bald sein wird. Der andere, Laurent Gbagbo, kann sich wohl nicht mehr aus der Umklammerung seiner Belagerer befreien.

Auffällig ist, dass beide Konflikte die Weltgemeinschaft auf sehr unterschiedliche Weise mobilisiert haben. Während Gaddafis Reich seit Wochen die Weltnachrichten beherrscht, kam die Elfenbeinküste über den Rang einer Fußnote kaum hinaus. Erst in den vergangenen Tagen wuchs - mit der zunehmenden Brutalität des Konflikts - die Aufmerksamkeit für die einst schillernde Tropenmetropole Abidjan, in der ein blutiger Häuserkampf tobte.

Während die von der Nato geführte Allianz in Libyen massiv militärisch interveniert, um "Zivilisten zu schützen", wie es in der UN-Resolution heißt, haben die Vereinten Nationen - mit Unterstützung Frankreichs - in der Elfenbeinküste sehr spät ihre Hubschrauber in die Schlacht geschickt.

Sie feuerten Raketen auf Gbagbos Artillerie. Auch diese Attacken wurden mit dem Mandat begründet, dass man Zivilisten schützen muss. Allerdings war davon einige Zeit zuvor nichts zu bemerken, als bereits viele schutzlose Menschen durch die wachsende Gewalt starben. Man kann daraus den Schluss ziehen: Die Logik von militärischen Interventionen folgt kaum moralischen Prinzipien oder gar humanitären Zielen. Der oftmals postulierte "Schutz von Zivilisten", mit dem viele UN-Interventionen begründet werden, verschleiert die vorrangigen Ziele von zahlreichen Militäreinsätzen.

Der Vorsatz, anderswo in der Welt Schutz zu leisten, dient häufig dazu, breite Unterstützung in der Wählerschaft des eigenen Landes zu mobilisieren. Was könnte edler sein, als sich der Rettung von Menschen in Not zu verschreiben? Darin spiegelt sich eine alte Sehnsucht nach einer höheren Moral in der Politik. Aber ist sie auch bestimmend? Wohl kaum. Ansonsten würden wir ständig Interventionen erleben müssen, nicht nur in Libyen, sondern vor allem auch südlich der Sahara. Orte, an denen Menschen schutzlos leiden, von Milizen drangsaliert und ermordet werden, sind überall auf der Welt zu finden, gerade in den armen Regionen.

Die Gefahr weiterer Massaker

Allein Afrika hat schon so viele Brennpunkte: Kongo, Sudan, Somalia und zuletzt auch die Elfenbeinküste. Zwar gibt es in Afrika einige teure Friedenseinsätze, aber sie erfüllen nirgendwo die selbstgesteckten Ziele.

Und Libyen? Dort gibt es sehr viel Öl und das Land grenzt ans Mittelmeer. Europa fürchtet riesige Flüchtlingsströme. Die Welt will keine Energie-Engpässe. Das alles sind Überlegungen, die eine Intervention mit befördert haben. So ist es vor allem die Nähe, die das Handeln bestimmt. Und die möglichen Bedrohungen, die sich abzeichnen. Das war auf dem Balkan zu beobachten - und das gilt jetzt auch für den südlichen Rand des Mittelmeers.

Bei der Elfenbeinküste verhält sich dies, aus europäisch-westlicher Perspektive, anders. Dieses Land hat viel Kakao, aber im Zweifel werden die Konsumenten lieber auf Schokolade verzichten als auf Autos, Strom oder Flugzeuge. Allein für Frankreich, das mehr als zehntausend seiner Bürger schützen muss, die in der früheren Kolonie leben und Geschäfte machen, gelten andere Überlegungen. Deshalb hat Paris eine Sonderrolle, deshalb haben die Franzosen jetzt auch mit eingegriffen in die Schlacht um Abidjan.

Die Kriege in der Elfenbeinküste wie in Libyen offenbaren das große moralische Dilemma, in das sich Staaten hineinmanövrieren, wenn sie Militäreinsätze stets und vor allem mit humanitären Prinzipien legitimieren. Solange sie diese Grundsätze nicht universell durchsetzen können, sollten sie nicht so tun, als handle es sich dabei um die Leitgedanken einer neuen weltumspannenden Außenpolitik. Das wirkt schnell unglaubwürdig. Denn gerade die Konflikte in der armen Welt zeigen, dass von einem flächendeckenden Schutz von Zivilisten keine Rede sein kann.

Was bleibt, ist die Pflicht, das Schlimmste zu verhindern. In Ruanda 1994 hat die Welt einen Völkermord geschehen lassen, es war vermutlich das größte Versagen der modernen Völkergemeinschaft. In Kenia ist es dagegen gelungen, durch schnelle und kluge Diplomatie die Eskalation ethnischer Gewalt nach den Wahlen zu verhindern.

Auch in der Elfenbeinküste gibt es die Gefahr, dass ethnische Spannungen zu weiteren Massakern führen, vor allem, wenn es den Gegnern Gbagbos nun nicht gelingen sollte, Recht und Ordnung wiederherzustellen. Wenn dies geschehen sollte, hätte die Welt keine Wahl: Dann müsste sie eine schnelle Eingreiftruppe schicken, selbst wenn strategische und wirtschaftliche Interessen gering sind. Die Wachsamkeit der Welt ist weiter nötig.

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