Elfenbeinküste: Laurent Gbagbo gibt auf:Cicero im Bunker

Laurent Gbagbo wurde als junger Mann politisch aktiv, weil er den Alleinherrscher der Elfenbeinküste stürzen wollte. Dafür ließ er sich verprügeln und riskierte sein Leben. Als Präsident wandelte er sich - und wurde selbst zum Despoten.

Von Matthias Kolb

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Laurent Gbagbo arrested - frame grabs

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Es ist ein Bild, an das man sich in Afrika lange erinnern wird: Schwitzend wird Laurent Gbagbo aus dem Bunker seiner Residenz in Abidjan geholt, der stattliche Bauch nur mit einem weißen Unterhemd bedeckt.

Frame grab of Ivory Coast's Laurent Gbagbo wiping his face with a towel in a room of Hotel Golf in Abidjan, after being arrested

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Später wird ihm ein Hawaii-Hemd überreicht, Agenturen verschicken Bilder, wie sich der Machthaber mit einem weißen Handtuch säubert. Wie Alassane Ouattara mit dem inhaftierten Rivalen umgeht, könnte entscheidend sein für den Versuch, die gespaltene Gesellschaft des westafrikanischen Landes zu einigen. 46 Prozent der Ivorer hatten im Herbst 2010 in einer Stichwahl für Gbagbo gestimmt.  Monatelang wollte der Präsident der Elfenbeinküste seine Niederlage nicht anerkennen und Ouattara die Macht überlassen. Der Bürgerkrieg war der traurige Höhepunkt einer jahrzehntelangen Feindschaft.

Video grab of Ivory Coast's claimant Outtara addressing nation after Gbagbo was captured in Ivory Coast

Quelle: Reuters

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In einer Ansprache kündigte Ouattara (im Bild) die juristische Aufarbeitung des Machtkonflikts an. Gbagbo solle ebenso wie seine Mitarbeiter, die Verbrechen begangen hätten, zur Rechenschaft gezogen werden. Zugleich will Ouattara für die Sicherheit Gbagbos und dessen Familie sorgen. Eine Auslieferung an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag lehnt Ouattara ab.

Frame grab of Ivory Coast's Laurent Gbagbo in a room of Hotel Golf in Abidjan, after being arrested

Quelle: REUTERS

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Das Leben von Laurent Gbagbo spiegelt die Geschichte seines Landes wider, das trotz vieler natürlicher Ressourcen (Kakao, Gas, Öl) seit Jahren verarmt. Gbagbo wurde politisch aktiv, weil er die willkürliche Alleinherrschaft Félix Houphouët-Boigny beenden wollte - und endete selbst als Despot.

IVORY-PARTY-FPI-GBAGBO

Quelle: AFP

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Seine Mitschüler nennen den jungen Laurent Cicero, weil er sich sehr für die lateinische Sprache begeistert. Gbagbo, 1945 als Sohn einer katholischen Familie in der Nähe von Gagnoa geboren, studiert Geschichte und beginnt, sich gegen den autokratisch regierenden Präsidenten Felix Houphouët-Boigny aufzulehnen.

1971 wird er wegen "subversiver Lehrtätigkeit" zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, doch dies bricht seinen Willen nicht. Gbgabo engagiert sich in Gewerkschaften an der Hochschule und kandidiert gegen Houphouët-Boigny, nachdem dieser erstmals nach der Gründung der Elfenbeinküste Parteien antreten ließ. Von 1982 bis 1988 lebt Gbagbo im Pariser Exil. Nach seiner Rückkehr gründete er die sozialistische Ivorische Volksfront ("Front Populaire Ivoirien" - FPI), die sogleich verboten wurde.

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1990 tritt er wieder zur Wahl an und unterliegt. Zwei Jahre wird Gbagbo inhaftiert - in dieser Zeit ist der Ökonom Alassane Ouattara Pemierminister unter dem Autokraten Houphouët-Boigny.

Bis zum Tod des Alleinherrschers 1993 wird die sozialistische Opposition, zu der auch Gbagbo gehörte, verfolgt und blutig unterdrückt, woran auch der heutige Präsident Ouattara beteiligt gewesen sein soll. Hier beginnt die Feindschaft der beiden.

IVORY-PARTY-FPI-GBAGBO

Quelle: AFP

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Nach Houphouët-Boigny wird Henri Konan Bédié Präsident, der Kandidat der Einheitspartei "Parti Democratique de Côte d'Ivoire" (PDCI). Dieser gilt als Vater der Ivoirité, einem rassistischen Konzept, das vor allem dazu dienen soll, Politiker wie Alassane Ouattara von der Macht fernzuhalten. Ouattaras Vater stammt aus Burkina Faso, weshalb der Ökonom, der zwischenzeitlich für den Internationalen Währungsfonds gearbeitet hatte, nicht Staatsoberhaupt werden könne.

Das Bild zeigt Gbagbo im August 1992 bei einer Pressekonferenz.

CAP CORR-ICOAST-RECONCILIATION 3

Quelle: AFP

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Bédié wird jedoch im Dezember 1999 in einem unblutigen Putsch vom Militär gestürzt und im Jahre 2000 sichert sich dann Gbagbo die Macht. Im Jahr 2000 war Laurent Gbagbo der einzige, der es wagte, gegen den vom Militär geförderten General Robert Guéï anzutreten - und konnte sich schließlich die Macht sichern. Den mehr als berechtigten Vorwurf, Gbagbo nutze und schüre diese fremdenfeindlichen Vorurteile, konterte dieser mit den Worten: "Wechselt eure Brillen. Ich habe mich nicht verändert."

Laurent Gbagbo stands with his wife Simone Ehivet Gbagbo during his inauguration ceremony at the presidential palace in Abidjan

Quelle: Reuters

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Ein Jahr nach seinem Amtsantritt 2001 (im Bild neben seiner Ehefrau Simone während seiner Amtseinführung) versank die Elfenbeinküste in einen Bürgerkrieg. Gbagbo verlor die Kontrolle über die Hälfte des Landes und verwandelte sich immer mehr in einen Autokraten. Hatte er zuvor noch von Pressefreiheit gesprochen und über die Hofberichterstattung gespottet, änderte sich unter seiner Herrschaft wenig: Die ivorischen Medien berichteten vor allem die Taten des Präsidenten.

Er versuchte, sein zerrissenes Land im Hass gegen Frankreich zu einen. 2004 kam es zu Gefechten zwischen Franzosen und Ivorern. Ein Mob machte in Abidjan Jagd auf französische Bürger. Mehr als 8000 Franzosen flohen aus dem Land.

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Einen Grund für die immer radikalere Haltung von Laurent Gbagbo sehen Beobachter im Einfluss seiner ebenfalls verhafteten Ehefrau Simone, die großen politischen Ehrgeiz besitzt und - wie ihr Mann - seit Jahren die Xenophobie schürt und von der taz als "wahre Ideologin des Gbagbo-Regimes" bezeichnet wurde. Den Gegner ihres Mannes, Alassane Ouattara, nennt sie den "Chefbanditen", und nur für den französischen Präsidenten findet sie noch härtere Worte. Nicolas Sarkozy gilt ihr als "Teufel".

Laurent Gbagbo in custody after arrest

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Der jahrzehntelange Kampf von "Woody", wie Laurent Gbagbo von seinen Anhängern in der Sprache seines Bété-Volkes genannt wurde, dient auch als Erklärung für sein stures Beharren an der Macht. Jerrold Post, Professor für Psychiatrie, Politische Psychologie und Internationale Politik an der George Washington University und früherer CIA-Mitarbeiter, erklärte dies in der SZ so: "Solche Führer sehen sich selbst als die Verkörperung der Nation. Dies ist mit Sicherheit so bei Mugabe und bei Gaddafi. Und es trifft auch in gewissem Maße auf Gbabgo zu."

Ein Vertrauter zeichnet in der BBC ein anderes Bild: Gbagbo sei ein freundlicher, lustiger Mann, der sich sehr für Musik und gutes Essen interessiere. "Jeder freute sich, wenn er zum Abendessen kam."

COTE D'IVORE - CRISE SOMMET CEDEAO

Quelle: AFP

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Seine radikale Haltung zeigte sich auch 2010, als erstmals wirklich freie Wahlen in der Elfenbeinküste abgehalten wurden: Als Slogan firmierte "Wir gewinnen - oder wir gewinnen". Die Botschaft hat nicht nur die taz so verstanden: "Entweder der Sieg an der Wahlurne, oder wir regieren trotzdem." Die Niederlage in der Stichwahl hat Gbagbo nie akzeptiert - und kämpfte verbissen bis zum 11. April gegen seinen Machtverlust.

Neben seiner Präsidentengarde stützte sich Gbagbo auf die Jeunes Patriotes, eine Gruppe aus mehreren tausend fanatischen und aufgestachelten Jungnationalisten. Rund um die Uhr peitschten die Gbagbo-treuen Medien Botschaften wie "Tut eure Pflicht! Tötet die Invasoren" durch das Land. Die Verhaftung konnte nicht verhindert werden.

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Quelle: AFP

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Seine Anhänger basteln offenbar schon munter an der Legende, Soldaten der einstigen Kolonialmacht Frankreich seien für die Festnahme verantwortlich.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass sich Gbagbo ausgerechnet in jenem Bunker verschanzt hielt, den Diktator Houphouët-Boigny aus Paranoia anlegen ließ.

Am Ende ist "Cicero" genau zum gleichen Typ Despot geworden, den er selbst einst stürzen wollte.

© sueddeutsche.de
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