Elfenbeinküste:Entscheidungskampf in Abidjan

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Schwere Gefechte: Anhänger von Wahlsieger Ouattara beschießen den Präsidentenpalast in der Wirtschaftsmetropole Abidjan. Außenminister Westerwelle fordert den Wahlverlierer Gbagbo auf, seine Niederlage einzugestehen - doch der will "bis zum Ende kämpfen".

Im Machtkampf in dem westafrikanischen Staat Elfenbeinküste (Côte d'Ivoire) rückt eine militärische Entscheidung näher. In der Hafenstadt Abidjan, in der sich auch alle wichtigen Ministerien und der Präsidentenpalast befinden, kam es in der Nacht zum Freitag zu schweren Kämpfen. Dabei stehen sich Truppen des von der internationalen Gemeinschaft unterstützten Wahlsiegers Alassane Ouattara und der Armee, die teils noch dem abgewählten Präsidenten Laurent Gbagbo gegenüber die Treue hält, gegenüber.

Im Laufe des Freitags lieferten sich beide Seiten weiter schwere Gefechte. Über dem Präsidentenpalast in der Wirtschaftsmetropole Abidjan stand am Vormittag eine Rauchsäule, berichten Korrespondenten der Nachrichtenagentur AFP. Ausgangspunkt der Gefechte war offenbar der Platz vor dem Präsidentensitz, in dem sich Anhänger des langjährigen Machthabers Laurent Gbagbo angesichts der vorrückenden Truppen des international anerkannten Präsidenten Alassane Ouattara verschanzt haben. Bevor die Rauchsäule aufstieg, war eine laute Detonation zu hören gewesen. In der Nähe waren Bewaffnete zu sehen.

"Es wird unaufhörlich geschossen, Gbagbos Leute verlassen ihre Stellungen nicht", sagte ein Augenzeuge. Zu hören sei vor allem "dumpfes Artilleriefeuer". Ob Gbagbo sich in einem der beschossenen Gebäude aufhielt, war unklar. Zuvor hatten die Truppen Ouattaras nach eigenen Angaben das Gebäude des staatlichen Fernsehsenders RTI eingenommen. Zahlreiche Mitglieder von Gbagbos Truppen liefen mittlerweile zur gegnerischen Seite über.

Gbagbo war aus der Präsidentschaftswahl im November als Verlierer hervorgegangen, will sein Amt aber nicht abgeben. Gbagbo habe nicht die Absicht, sich zurückzuziehen, sagte ein Vertreter des Politikers am Freitag in Paris. "Er wird bis zum Ende kämpfen." Die den fünften Tag in Folge andauernde gewaltsame Offensive von Kämpfern Ouattaras bezeichnete er als "Staatsstreich", der "von einer internationalen Koalition unterstützt wird".

Ouattara rief die Armee in einer Fernsehansprache auf, die Waffen niederzulegen und einen Bürgerkrieg zu vermeiden. Ein weiteres Blutvergießen sei sinnlos. "Ich rufe Sie auf, sich Ihrem Land zur Verfügung zu stellen und zur Legalität zurückzukehren", sagte Ouattara im Fernsehsender TCI, der von seiner Partei kontrolliert wird.

Mehrere hohe Offiziere von Gbagbos Armee haben dem Herrscher, der sein Amt nicht abgeben will, bereits den Rücken gekehrt. Ein Sprecher der UN-Friedenstruppen ONUCI sprach von 50.000 Soldaten und Offizieren, die zu Ouattaras Truppen übergelaufen seien oder die Waffen niedergelegt hätten. Anwohner berichteten über schwere Kämpfe in der Umgebung des Präsidentenpalastes. Seit den späten Abendstunden sendete der staatliche Fernsehsender kein aktuelles Programm mehr, sondern strahlte nur noch Dokumentarsendungen aus.

Laurent Gbagbo ist unterdessen möglicherweise abgetaucht. "Niemand weiß, wo er sich aufhält", sagte der französische Botschafter in Abidjan, Jean-Marc Simon, dem Sender France-Info. In seiner Residenz sei er jedenfalls nicht, denn die sei in der Nachbarschaft der Botschafterresidenz. "Gbagbo scheint in der Nacht den Präsidentenpalast verlassen zu haben", berichtet die Zeitung Le Monde in ihrer Online-Ausgabe. Eine Flucht ins Ausland wäre nur schwer möglich, da Wahlsieger Alassane Ouattara die Grenzen hat schließen lassen.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) forderte ein sofortiges Ende der Gewalt an der Elfenbeinküste und den Rückzug des abgewählten Präsidenten Laurent Gbagbo. "Die kriegerischen Auseinandersetzung in Côte d'Ivoire bringen unerträgliches Leid über die Menschen des Landes und sind eine große Gefahr für die gesamte Region", sagte Westerwelle in Peking. "Die Gewalt muss sofort eingestellt werden."

Er verurteile den Einsatz schwerer Waffen gegen die Bevölkerung. "Der abgewählte Präsident Gbagbo muss endlich den Willen des Volkes akzeptieren und den Weg für eine friedliche Zukunft des Landes frei machen."

Die französischen Streitkräfte nahmen in der Nacht zum Freitag 500 ausländische Flüchtlinge - darunter 150 französische Bürger - in einem Stützpunkt auf. Französische Truppen sind an der Elfenbeinküste im Rahmen einer Friedensmission stationiert, die aber die derzeitigen Kämpfe zwischen Anhängern und Gegnern des abgewählten Präsidenten Laurent Gbagbo nicht verhindern konnte.

Am Donnerstag wurde in Abidjan eine schwedische UN-Mitarbeiterin getötet. Die 30-Jährige sei am Vortag vermutlich versehentlich bei einer Schießerei getroffen worden, teilte Außenminister Carl Bildt in Stockholm mit. Die Frau habe sich in ihrer Wohnung aufgehalten, als sie von einer Kugel getroffen wurde.

© AFP/dpa/liv - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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