Elfenbeinküste:Monsieur le Dictateur in Handschellen

Der blutige Machtkampf in der Elfenbeinküste ist entschieden: Der abgewählte Präsident Laurent Gbagbo ist von Truppen seines Widersachers festgenommen worden. Unklar ist, wie seine Anhänger auf die Ergreifung reagieren.

Arne Perras

Der blutige Machtkampf in der Elfenbeinküste ist entschieden: Der abgewählte Präsident Laurent Gbagbo ist in seiner Residenz in Abidjan von den Truppen seines Rivalen Alassane Ouattara festgenommen worden. Nach Angaben des ivorischen UN-Botschafters Youssoufou Bamba ist Gbagbo wohlauf in Haft. "Ich habe das Vergnügen, Ihnen die Festnahme von Monsieur Gbagbo bekanntzugeben. Er lebt und ist wohlauf", sagte Bamba am Montag am Rande einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates in New York. Gbagbo werde demnächst der Justiz überstellt. Derzeit sei er an einem "sicheren Platz", wo genau, könne aus Sicherheitsgründen nicht gesagt werden. Frankreichs Botschafter Jean-Marc Simon hatte zuvor gesagt, Gbagbo sei zusammen mit seiner Frau Simone ins Golf-Hotel gebracht worden, dem Stützpunkt von Alassane Ouattara.

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Laurent Gbagbo wird von den Anhängern seines Gegners Alassane Ouattara abgeführt.

(Foto: AFP)

Bamba betonte, französische Truppen hätten bei der Festnahme Gbagbos keine Rolle gespielt. "Berichte, nach denen es französische Truppen waren, sind falsch. Monsieur Gbagbo wurde von den Streitkräften der Republik Elfenbeinküste festgenommen." Bamba rief Gbagbos Anhänger auf, die Waffen niederzulegen. "Sie kämpfen jetzt für nichts mehr. Das Töten muss nun ein Ende haben."

Vor der Festnahme Gbagbos waren französische Panzer bis in die Nähe des Bunkers auf dem Gelände des Präsidentensitzes vorgestoßen, in dem sich Gbagbo seit einer Woche verschanzt hatte. Nach der Festnahme Gbagbos steigen die Chancen, dass der international anerkannte Präsident Ouattara nun die Regierung übernehmen kann. Die bereits seit zehn Tagen währenden Kämpfe in Abidjan haben die Menschen der Millionenmetropole in große Not gestürzt. Wasser und Nahrung sind äußerst knapp. Die wehrlosen Stadtbewohner sind der Willkür von Milizen beider Seiten ausgeliefert. Unklar war zunächst, wie die Gbagbo-treuen Truppen auf die Festnahme ihres Führers reagieren würden. Gagbo hatte zuletzt noch immer Hunderte Milizionäre unter seiner Kontrolle.

Französische Truppen hatten seit Sonntag erneut an der Seite von UN-Truppen in das Geschehen eingegriffen. Nach Medienberichten aus Abidjan wurde die Residenz Gbagbos durch Angriffe aus der Luft teilweise zerstört. In der Nacht zum Montag hatten Kampfhubschrauber mehrere Militärlager angegriffen. Zuvor war der Stützpunkt Ouattaras unter Beschuss der Gegner geraten. Die Vereinten Nationen erklärten, die Angriffe dienten dem "Schutz von Zivilisten".

Die UN warfen Gbagbo vor, er habe den Willen zu Verhandlungen vorgetäuscht, um Zeit zu gewinnen und seine Truppen im Kampf um Abidjan neu zu ordnen. Gbagbo hatte sich tagelang in einem Bunker unter seiner Residenz verschanzt und immer wieder darauf gepocht, er sei der gewählte Präsident, obgleich er im November 2010 bei einer Stichwahl gegen Ouattara verloren hatte.

Trotz der Festnahme Gbagbos bleibt die Lage in Abidjan gefährlich. Es drohen Racheakte durch die verfeindeten Lager, die ethnischen Spannungen in Abidjan und anderen Landesteilen sind hoch. Nach Einschätzung von Nichtregierungsorganisationen haben beide Seiten massive Menschenrechtsverletzungen zu verantworten. Während der Offensive der Ouattara-Truppen ist es mehrmals zu Racheaktionen und Massenmorden gekommen. Dabei gab es Vergewaltigungen und Plünderungen in großem Ausmaß. Die militärische Konfrontation der vergangenen beiden Wochen hat die Spaltung der Elfenbeinküste noch verschärft. Der Krieg der Gbagbo-Gegner in den Jahren 2002 und 2003 hatte das frühere Musterland im Westen Afrikas gespalten. Der größte Kakaoproduzent der Welt hatte seither mehrere Anläufe unternommen, die Teilung zu überwinden. Die Wahlen im vergangenen Jahr sollten das Land dauerhaft befrieden, stattdessen stürzte die Elfenbeinküste wieder in einen Krieg.

Wie schnell Ouattara nun Recht und Ordnung wiederherstellen kann, ist unklar. Dies hängt zum einen davon ab, ob sich Gbagbos Truppen ergeben werden oder Ouattaras Kämpfer und womöglich auch Franzosen und die UN-Blauhelme in einen zähen Häuserkampf verwickeln. Das militärische Lager Ouattaras setzt sich aus verschiedenen Milizen zusammen, die vor allem der Kampf gegen den gemeinsamen Gegner Gbagbo eint. Ob Ouattara sie alle kontrollieren kann, ist ungewiss. Immerhin 46 Prozent der Wähler hatten im November für Gbagbo gestimmt, deshalb glauben Westafrika-Experten, dass Ouattara das Land nur dann stabilisieren und auf Friedenskurs bringen kann, wenn er auch Kräfte des Gbagbo-Lagers einbindet und einen politischen Ausgleich schafft, ohne den die Spaltung kaum zu überwinden ist.

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