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Bundesverfassungsgericht:Elektronische Fußfesseln verstoßen nicht gegen das Grundgesetz

Wenn die Fußfesseln eingesetzt werden, um Straftäter nach der Haft zu überwachen, greife das zwar in Grundrechte ein - das sei als Schutzmaßnahme aber gerechtfertigt, urteilt Karlsruhe.

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass der Einsatz elektronischer Fußfesseln bei aus der Haft entlassenen Straftätern mit Rückfallrisiko mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts begründet seine Entscheidung zur sogenannten elektronischen Aufenthaltsüberwachung ("elektronische Fußfessel") so, dass darin zwar ein "tiefgreifender Grundrechtseingriff insbesondere in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das allgemeine Persönlichkeitsrecht" vorliege. Dieser Grundrechtseingriff sei aufgrund des Gewichts der geschützten Belange aber zumutbar und stehe nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der Rechtsgüter, die geschützt werden sollen. Es geht um den Schutz vor "Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung und Straftaten gegen die öffentliche Ordnung".

Das Gericht hatte sich mit der "elektronischen Fußfessel" befasst, weil es zwei Verfassungsbeschwerden gegen diese Form der Überwachung gab. Geklagt hatten zwei Männer, die von Gerichten in Rostock zum Tragen einer Fußfessel verpflichtet worden waren. Sie hatten infrage gestellt, ob eine solche Maßnahme überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Seit 2011 können Straftäter nach der Haft mit einer elektronischen Fußfessel rund um die Uhr überwacht werden.

Einmal angelegt, lässt sich die Fessel von den Trägern nicht mehr öffnen. Über ein Satellitensignal ist ihr Aufenthaltsort jederzeit bestimmbar. Auf die Daten darf aber nur dann zugegriffen werden, wenn in der "Gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder" (GÜL) in Hessen Alarm ausgelöst wird. Dort sind die Bewegungen der Träger auf einer Karte zu sehen. Bei einem Alarm wird bei dem Betroffenen angerufen, um zu prüfen, ob ein Fehler vorliegt - etwa ob der Akku der Fessel schwach ist.

Die Einführung der elektronischen Fußfessel hängt mit einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) von 2009 zusammen. Der EGMR hatte geurteilt, dass die Sicherungsverwahrung in bestimmten Fällen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstieß. "Das Urteil", so nun die Karlsruher Richter, "hatte zur Folge, dass Personen mit negativer Rückfallprognose in die Freiheit entlassen und sodann teilweise rund um die Uhr polizeilich überwacht wurden." Die Fußfessel sollte solche Überwachungsmaßnahmen ersetzen.

Die Straftäter, die nun geklagt hatten, waren nach langjährigen Freiheitsstrafen aus der Haft entlassen und polizeilich beobachtet worden. Dann war ihnen stattdessen eine "elektronische Fußfessel" angelegt worden.

Auch extremistische Täter und Gefährder können überwacht werden

Seit 2017 können auch extremistische Täter überwacht werden (Az. 2 BvR 916/11 u. a.). Außerdem darf das Bundeskriminalamt die Fußfessel bei sogenannten Gefährdern einsetzen, um Terroranschläge zu verhindern. Und auch die Polizeigesetze einiger Länder sehen einen solchen vorsorglichen Einsatz vor. In der aktuellen Entscheidung aus Karlsruhe geht es aber um den Einsatz bei Straftätern, die aus der Haft entlassen wurden.

Einer Studie des hessischen Justizministeriums zufolge war die elektronische Fußfessel im Frühjahr 2020 deutschlandweit bei 122 Personen im Einsatz. Seit der Einführung der Maßnahme wurden mit ihr 269 Menschen überwacht.

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