Süddeutsche Zeitung

Elektronische Fußfessel:Nicht ganz Recht, aber billig

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Baden-Württemberg führt den elektronisch überwachten Hausarrest ein - und damit das Zwei-Klassen-Strafrecht.

Heribert Prantl

Der Strafvollzug ist ein Versuch, an Menschen, die man kaum kennt, unter Verhältnissen, die man kaum beherrscht, Strafen zu vollstrecken, um deren Wirkung man kaum weiß. Dieser Versuch geht sehr oft nicht sehr gut aus: Das Gefängnis ist ein gefährlicher Ort; daran ändern die schönsten Anstrengungen etlicher Gefängnisdirektoren nichts. Wenn Sozialisierung oder Resozialisierung unter den desozialisierenden Umständen des Gefängnisses gelingt, ist es ein Wunder. Das Gefängnis macht Menschen nicht besser, sondern meist schlechter.

Die Haft ist daher die dümmste und im Übrigen auch die teuerste Art zu strafen. Wenn es andere Möglichkeiten des Strafens gibt und die öffentliche Sicherheit nicht zwingend Mauer und Stacheldraht erfordert, dann sollte man diese Möglichkeit nutzen. Jede Möglichkeit, das Gefängnis zu ersetzen, ist gut.

Also ist das Gesetz über die Einführung der elektronische Fußfessel, das an diesem Mittwoch im Landtag von Baden-Württemberg verabschiedet wird, grundsätzlich eine gute Sache. Es erlaubt einen kleinen Modellversuch: Ausgewählte Straftäter dürfen künftig, technisch überwacht, zu Hause bleiben. Ausgewählt werden können solche Straftäter, die ihre Geldstrafe nicht bezahlen können und also ansonsten "ersatzweise" ins Gefängnis müssten.

Das ist der eine Anwendungsbereich des neuen Gesetzes. Der andere: Häftlinge können (maximal sechs Monate lang) zur Vorbereitung der endgültigen Entlassung vorzeitig, und dann elektronisch überwacht, nach Hause geschickt werden.

Die eigene Wohnung wird zum Gefängnis: In den USA, in Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden, in Schweden und in der Schweiz ist der elektronische Hausarrest schon lange Usus, in Deutschland hat es bisher nur in Hessen einen kleinen Versuch gegeben - als Alternative zur Untersuchungshaft. Das Max-Planck-Institut für Strafrecht in Freiburg, das den Versuch begleitete, kam zum Ergebnis, es sei "Potential" für einen umfassenderen Einsatz vorhanden.

Den Risiken, die sich in den genannten "Hausarrest-Staaten" deutlich zeigen, entgeht auch der kleine Stuttgarter Modellversuch nicht: Der elektronisch kontrollierte Hausarrest führt zum Zwei-Klassen-Strafrecht. Hausarrest statt Gefängnis - das kommt nämlich nur für Leute in Betracht, die über Telefon, Wohnung und Arbeitsstelle verfügen.

Die ohnehin Bessergestellten werden also noch einmal besser gestellt. Sehr gerecht ist das nicht. Das kann man in Kauf nehmen, wenn man ebenso realistisch wie zynisch sagt, dass die Praxis des Strafens mit Gerechtigkeit ohnehin nicht viel zu tun hat - siehe den "Deal", der soeben in Deutschland Gesetz geworden ist.

Der Hausarrest ist nicht einfach eine andere Vollzugsform, er ist eine mildere Strafe. Es sollte daher nicht die Justizvollzugsanstalt, sondern der Richter darüber entscheiden. Und die elektronische Aufsicht sollte nicht, wie in Baden-Württemberg geplant, eine Privatfirma, sondern der Staat übernehmen.

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Quelle:
SZ vom 29.07.2009
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