Als erstes Bundesland führt Baden-Württemberg vom kommenden Jahr an die elektronische Fußfessel für Straftäter ein. Mit den Stimmen von CDU und FDP will der Stuttgarter Landtag an diesem Mittwoch einem Gesetzentwurf zustimmen, der einen vierjährigen Modellversuch vorsieht, an dem zunächst 75 Straftäter teilnehmen.
"Uns kommt es beim elektronisch überwachten Hausarrest vor allem darauf an, dass wir eine Alternative zum Strafvollzug für diejenigen haben, die im Gefängnis eigentlich gar nichts zu suchen haben. Das sind Personen, die eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen sollen, weil sie ihre Geldstrafe, zu der sie verurteilt wurden, nicht bezahlen können", sagte Justizminister Ulrich Goll (FDP).
Straftäter sollen nicht in Abwärtsstrudel geraten
Mit dem elektronischen Hausarrest behielten alle, die eigentlich nur zu einer Geldstrafe verurteilt wurden, die Chance, nicht in den Abwärtsstrudel zu geraten, den ein Gefängnisaufenthalt oft nach sich ziehe. Die Teilnehmer bekommen eine elektronische, nicht abnehmbare Fußfessel umgeschnallt, die über einen Empfänger in ihrer Wohnung den Aufenthaltsort meldet. Die Kosten für den Versuch belaufen sich nach Angaben des Justizministeriums auf 85.000 Euro.
Die Landesregierung erhofft sich durch die Fußfessel langfristig Einsparpotential bei Haftplätzen und damit einen kostengünstigeren Strafvollzug. Die Überwachung der mit Peilsendern ausgestatteten Straftäter übernimmt eine Privatfirma.
Baden-Württemberg gliedert damit weitere, eigentlich hoheitliche Aufgaben der Justiz aus. Die neue Haftanstalt in Offenburg wird ebenfalls zum Teil von Privatfirmen betrieben. Die Bewährungshilfe ist ebenfalls privatisiert. Ähnliches gibt es nur noch in Hessen, wo zu einer Bewährungsstrafe Verurteilte bereits mit einer Fußfessel kontrolliert werden können.
Für den Versuch kommen zwei Gruppen von Gefangenen in Frage: Solche, die eigentlich eine Ersatzfreiheitsstrafe antreten müssten, weil sie eine Geldstrafe nicht bezahlen konnten oder wollten. Auch Gefangene, die auf ihre Entlassung vorbereitet werden, sollen unter elektronische Aufsicht gestellt werden können. Es darf weder Flucht- noch Missbrauchsgefahr bestehen. Bei Verstößen kann verwarnt oder die Freizeit außerhalb der Wohnung gestrichen werden.
Fester Job ist Voraussetzung
Voraussetzung dafür, statt einer Freiheitsstrafe in den Hausarrest mit Fußfessel zu kommen, sind eine feste Arbeitsstelle mit 20 Wochenstunden oder ein ähnlich "geregelter Tagesablauf". Für die Teilnehmer wird ein fester Plan mit Anwesenheitszeiten in der Wohnung aufgestellt, an den Wochenenden gibt es ein paar Stunden Freizeit außerhalb der Wohnung. In Einzelfällen können auch weitere soziale Beschränkungen auferlegt werden, beispielsweise ein Alkoholverbot.
"Es ist verfassungsrechtlich bedenklich, wenn private Firmen Bewegungsprofile erstellen", kritisiert Thomas Oelmayer, der rechtspolitische Sprecher der Grünen. Der Pilotversuch müsse stärker wissenschaftlich begleitet werden. "Wir wissen ja noch gar nicht, was mit den Menschen passiert, wenn man ihr Haus zu einem Gefängnis macht." Wenig begeistert war selbst der Stuttgarter Generalstaatsanwalt Klaus Pflieger. Auf einer Veranstaltung der Bewährungs- und Straffälligenhilfe Württemberg, deren Vorsitzender er ist, sagte er: "Wir sind gegen die Fußfessel. Diese Art der Bestrafung kann Schaden anrichten. Das hat nichts mit Sozialarbeit zu tun."
Pflieger befürchtet, dass die Fußfessel den Erfolg des Projektes "Schwitzen statt Sitzen" gefährden könnte, bei dem Verurteilte, die eine Geldstrafe nicht bezahlen können, gemeinnützige Arbeit leisten. Im vergangenen Jahr betreute die Bewährungs- und Straffälligenhilfe etwa 6000 solche Fälle. Die soziale Betreuung ist dabei weitaus intensiver als beim Hausarrest mit elektronischer Fußfessel, bei dem letztlich nur der Aufenthaltsort überprüft wird. Goll sieht die Fußfessel als Ergänzung zu gemeinnütziger Arbeit. "Manche können schlichtweg nicht arbeiten. Zum Beispiel alleinstehende Mütter mit einem kleinen Kind", sagte der Justizminister.