Massaker in den USA:Amerikas Albtraum hat vielleicht gerade erst begonnen

Waffen sind in den USA extrem leicht verfügbar. Die rassistischen Töne werden schriller - und stoßen bei vielen auf Gehör. Das ist eine tödliche Kombination.

Kommentar von Alan Cassidy, Washington

Die Menschen in Amerika gingen am Samstagabend mit dem Wissen ins Bett, dass es in ihrem Land ein blutiges Attentat gegeben hatte. Sie wachten am Sonntagmorgen mit der Nachricht auf, dass über Nacht schon wieder eines geschehen war: 20 Tote in einem Shoppingzentrum in El Paso, neun Tote in einem Vergnügungsviertel in Dayton. Bereits vor einer Woche waren auf einem Festival in Kalifornien drei Menschen getötet worden. Amerika durchlebt einen Albtraum.

Die Rechte warnt nun bereits wieder davor, die Attentate zu "politisieren". Dabei ist das Problem genau umgekehrt gelagert: Sie werden viel zu wenig politisiert. Man stelle sich vor, islamistische Terroristen hätten innerhalb weniger Tage 32 Menschen in den USA getötet: Niemand würde sich mit "Gedanken und Gebeten" begnügen, niemand die Morde als isolierte Taten von psychisch Kranken abtun, niemand über den Einfluss von Ballergames schwafeln. Sondern stattdessen über die Ursachen der Gewalt sprechen - und was dagegen getan werden muss.

Das beginnt bei der extrem leichten Verfügbarkeit von Waffen in einem Land, in dem sich Gewehre weiterhin im Supermarkt kaufen lassen, weil die der Waffenlobby hörigen Republikaner schärfere Waffengesetze konsequent blockieren.

Das beginnt aber auch bei der Ideologie, die mehrere der Attentäter der vergangenen Jahre angetrieben hat. "Eine unbequeme Wahrheit" heißt das rassistische Manifest, das vom Mörder von El Paso stammt. Die unbequeme Wahrheit ist allerdings diese: Das Manifest ist nicht einfach die Hassfantasie eines Einzelnen. Vieles von dem, was dort steht, ist längst in den amerikanischen Mainstream eingedrungen.

Beim Fernsehsender Fox News hört man fast jeden Abend, wie weiße Amerikaner angeblich von Einwanderern bedroht werden. Mit Donald Trump sitzt im Weißen Haus ein Präsident, der offen und immer schriller an rassistische Gefühle appelliert, der mit der Bewirtschaftung von Ressentiments auf Wahlkampf geht. Im Land gibt es viele, bei denen diese Töne auf Gehör stoßen. Militante Rassisten, die problemlos an Schusswaffen gelangen: Das ist eine tödliche Kombination. Vielleicht hat Amerikas Albtraum gerade erst begonnen.

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