Es ist ein massiver diplomatischer Eklat: Die Türkei hat den israelischen Botschafter ausgewiesen, weil sich das Land nicht für den blutigen Militäreinsatz gegen eine Gaza-Hilfsflotte im vergangenen Jahr entschuldigt hat, bei dem neun türkische Aktivisten getötet wurden. Zugleich seien alle militärischen Verträge mit Israel vorerst ausgesetzt, sagte der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu. Die diplomatischen Beziehungen würden künftig auf die Ebene der Staatssekretäre beschränkt sein. "Es ist Zeit, dass Israel einen Preis zahlt", sagte der Außenminister.
Staatspräsident Abdullah Gül drohte Israel weitere Schritte an. Er forderte das Land auf, etwas für Frieden und Stabilität zu unternehmen, wie die türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. Die Türkei sei entschlossen, die Rechte ihrer Bürger zu schützen. "Abhängig von der weiteren Entwicklung und der Haltung Israels können weitere Schritte ergriffen werden", sagte der Staatspräsident in Istanbul. Als mächtigstes Land in der Region werde die Türkei ihre Rechte und die aller hilfsbedürftigen Menschen schützen. Auch die internationale Gemeinschaft müsse dies zur Kenntnis nehmen.
Die New York Times hatte am Donnerstag einen mit Spannung erwarteten UN-Bericht zu dem Angriff auf die Hilfsflotte vorab im Internet veröffentlicht. In dem 105 Seiten starken Papier werden Vorwürfe gegen beiden Seite erhoben. Zwar sei die Seeblockade durch Israel rechtmäßig gewesen, heißt es in der Untersuchung. Doch bei dem Einsatz hätten die Kommandotruppen überzogene Gewalt eingesetzt. Sie seien bei dem Einsatz auf der Mavi Marmara auf organisierten und gewalttätigen Widerstand gestoßen, hieß es aber zugleich.
Als Reaktion auf die Vorabveröffentlichung hatten türkische Medien berichtet, dass Ankara auf einer Entschuldigung Israels für den Militäreinsatz bestehe. Wenn die israelische Regierung bis zur offiziellen Veröffentlichung eines UN-Berichtes nicht Abbitte leiste, werde die Türkei einen Plan B in Kraft setzen, habe Außenminister Ahmet Davutoglu bei einem Treffen mit US-Außenministerin Hillary Clinton am Rande der Libyen-Konferenz in Paris gedroht.
Israel reagierte zurückhaltend auf den Bericht. Er "bestätigt die Rechtmäßigkeit" der Seeblockade vor dem Gaza-Streifen, sagte ein ranghoher Mitarbeiter der israelischen Regierung, der namentlich nicht genannt werden wollte.
Nach Informationen der New York Times soll der UN-Bericht voraussichtlich an diesem Freitag veröffentlicht werden. Das Büro des Sprechers von UN-Chef Ban Ki Moon wollte dies auf Anfragen aber nicht bestätigen. Es sei noch nicht bekannt, wann das Dokument vorgelegt werde, hieß es in New York. Der Bericht wurde von einem Gremium verfasst, dem der frühere neuseeländische Ministerpräsident Geoffrey Palmer vorsitzt.