Ekel Alfred? Das war eine Befreiung. Wie hatte man doch Anfang der Siebzigerjahre diesen ständigen Nachkriegsmief im deutschen Fernsehen satt: Fröhliche Försterinnen, seliges Habsburger-Reich, grün ist die Heide und lustig das Hotel am Wolfgangsee. Es war die ganz große Zeit von Marika und Liselotte, Helmut und Hansi. Dann aber, vor exakt 50 Jahren, tauchte erstmals der nordrhein-westfälische Materiallagerverwalter Alfred Tetzlaff im Wohnzimmer auf, in der TV-Serie "Ein Herz und eine Seele". Und wie er sie einriss, die hübschen Kulissen der verlogenen Ohnsorg-Millowitsch-Komödienstadel-Welt!
Für Jüngere sind seine Sprüche freilich nur schwer verständlich, ja kaum zu ertragen. Doch auch schon Altphilologe Walter Jens stieß sich 1974 an dieser - wie er es in einer TV-Kritik für die Zeit nannte - "Popo-, Busen- und Pinkelklamotte". Tatsächlich verlangt der von Brecht-Darsteller Heinz Schubert in 25 Episoden verkörperte, absolut humorlose Hitlerbart-Träger aus Wattenscheid den Zuschauern einiges ab. Seine Gattin beschimpft er als "dusselige Kuh" und seine "germanischen Väter" preist er, weil sie auf ihren "Exkursionen" Südeuropa von "verdorbenen Sitten, schwulen Männern und verhurten Frauen" befreit hätten. Die Serie, die als Deutschlands erste Sitcom gilt, wurde beim WDR in Köln aufgenommen. Im Gegensatz zu Ekel Alfred schmissen sich die, die eine der begehrten 80 Eintrittskarten für die Aufzeichnung erhalten hatten, im Studio vor Lachen fast weg. Noch bei späteren Wiederholungen lockte "Ein Herz und eine Seele" ein Millionenpublikum vor die Bildschirme. Nur: Darf man auch heute noch über jemanden lachen, der von seinem ganzen Habitus mindestens der Querdenker-, wenn nicht gar der Reichsbürger-Szene zuzuordnen ist?
Genau das war es, was die nach dem britischen Vorbild "Till Death Us Do Part" ("Bis dass der Tod uns scheidet") von Autor Wolfgang Menge auf Deutschland übertragene Reihe sagen wollte: Passt auf, liebe Leute, denn jenseits von Heintje und Helga, Heino und Hannelore, da brodelt was. Bemerkt ihr wirklich nicht die Altnazis in eurem Fußballverein? Nehmt ihr nicht die antisemitischen Sprüche in der Eckkneipe wahr? Den Ausländerhass? Die Frauenverachtung?
Alfred Tetzlaff, das war eben Deutschland 1973. Gerade noch Obergefreiter bei der Wehrmacht und Russland-Kämpfer, jetzt Bild-Leser und mit dem Hippietum seines Schwiegersohns restlos überfordert. Einer von jenen, denen Fremdes immer Angst macht. "Die Linken" waren für ihn gleichzeitig "Sozis", "Kommunisten", "Anarchisten" und "Bolschewisten".
50 Jahre nach der ersten Ekel-Alfred-Folge ist heute deutlich weniger Schwarzwaldmädel im Programm. Der Bayerische Rundfunk klinkt sich nicht mehr aus Kabarettsendungen aus, das ZDF sendet Böhmermann sogar freiwillig, und wer's nicht verkraftet, der kann sich ja "Emily in Paris" auf Netflix streamen. Doch Tetzlaffs wie den Alfred gibt es immer noch. Meist sind sie digital unterwegs. Manchmal stürmen sie sogar ein Parlament. Wie ungeheuer schade, dass sie das Lachen, vor allem das Lachen über sich selbst, noch immer nicht gelernt haben.