Eisenhüttenstadt:"Das wird nicht schön"

Erstaufnahmestelle Eisenhüttenstadt - Woidke und de Maiziere

Umringt in Brandenburg: Thomas de Maizière (links) mit Ministerpräsident Dietmar Woidke.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)

Der Innenminister besucht Flüchtlinge in Brandenburg. Er spricht von Herausforderung statt Überforderung.

Von Jens Schneider, Eisenhüttenstadt

Das Haus sieht heruntergekommen aus. Eigentlich soll der Weg des Bundesinnenministers nur daran vorbeiführen. Thomas de Maizière fragt, was denn das sei. Es ist das alte Familienwohnheim der Flüchtlingsunterkunft, es soll saniert werden, doch gerade braucht man jedes Bett. "Das wird nicht schön, was Sie da sehen", wird der Minister gewarnt. "Deswegen bin ich ja hier", sagt er und geht hinein.

Weitab von der Landeshauptstadt Potsdam, nahe der polnischen Grenze, liegt die zentrale Ausländerbehörde des Landes Brandenburg. Hier, in Eisenhüttenstadt, ist auch die zentrale Erstaufnahme des Landes untergebracht, seit dem Juni kommen immer mehr Flüchtlinge. Etwa 2000 Menschen leben auf dem Gelände einer früheren Kaserne, auch in Zelten und Containern. Der Minister hat zuletzt eine Reihe von Flüchtlingsunterkünften besucht, nun lässt er sich diese zeigen. "Wo kommen denn die Zelte her" fragt er den Leiter der Einrichtung gleich zu Anfang, große Zelte würden ja knapp. Die habe man in Rotterdam aufgetan, hört er: alte Bestände der US-Army.

Auch ein Thema de Maizières: Heraus- und Überforderung

Die Bürgermeisterin ist gekommen, der Minister will wissen, wie die Menschen hier reagieren, auch ob es Probleme mit Kriminalität gebe. Dagmar Püschel erzählt, dass wenig passiert sei, aber viele Gerüchte kursierten, es gebe Hetze im Internet. Um etwas dagegenzusetzen, hat sie ein Bürgertelefon eingerichtet. Die Anrufer sind höflich. Einzelne beklagten sich etwa, dass erwachsene Asylbewerber auf Spielplätzen hockten: Man möge ihnen bitte sagen, dass die für Kinder sind.

Der Innenminister beklagt am Ende des Rundgangs die zunehmenden Angriffe auf Flüchtlingsheime. Er sagt: "Das ist unverständlich, unakzeptabel und unseres Landes unwürdig." Der Zustrom an Flüchtlingen sei "eine große Herausforderung, aber keine Überforderung" für Deutschland. Er macht klar, dass noch mehr Flüchtlinge kommen werden als prognostiziert. Genaue Zahlen kündigt er für kommende Woche an.

In Eisenhüttenstadt führt Thomas de Maizière auch Einzelgespräche mit zwei syrischen Familien, unter Ausschluss der Öffentlichkeit nimmt er sich Zeit für sie. Später sagt er: "Der Schlüssel liegt darin, dass wir differenzieren zwischen denen, die schutzbedürftig sind, und denen, die keinen Schutzbedarf haben." So seien die meisten Flüchtlinge hier Syrer, die einen Anspruch auf Asyl hätten und schnell integriert werden sollten. Es seien zugleich viele Serben und Albaner hier, die kaum Aussicht auf Asyl hätten. Es sei wichtig, dass es für sie schnelle, faire Verfahren gebe und dass "sie dann schnell das Land wieder verlassen".

Neben ihm steht Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Wenn es nach ihm geht, sollen Flüchtlinge vom Westbalkan, mit kaum Aussicht auf politisches Asyl, die Erstaufnahme gar nicht erst verlassen. Über ihr Verfahren bis hin zur Rückkehr in die Heimat soll entschieden werden, während sie in Eisenhüttenstadt bleiben. Dem Gesetz nach müssten sie nach drei Monaten anderswo untergebracht werden. Doch für die Kommunen sei es wichtig, dass Verfahren abgeschlossen seien, wenn die Menschen kommen, sagt Woidke. Dafür sollten die Fristen geändert werden. Der Innenminister zeigt sich dafür offen.

Unkommentiert lässt er die Forderung des Ministerpräsidenten nach mehr Geld für die Länder. Der Bund trage bisher nur fünf Prozent der Kosten für die Flüchtlinge, sagt Woidke. Er wünscht sich einen Festbetrag je Flüchtling und beziffert die Kosten auf 10 000 Euro pro Jahr. Der Innenminister brachte im ZDF am Abend eine Überprüfung der Leistungen für Asylbewerber ins Spiel. Europäische Kollegen seien der Ansicht, dass die deutschen Standards sehr hoch seien. Er verwies darauf, dass die Zahlung dem Monatslohn eines Polizisten in Albanien gleiche. Das Bundesverfassungsgericht habe aber entschieden, Hartz IV sei eine Frage der Menschenwürde - und das gelte auch für Asylbewerber.

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