Süddeutsche Zeitung

Eisenbahn-Projekt in Ostasien:Transitlinie durch die isolierte Diktatur

Das Regime in Pjöngjang steht im Weg: Südkorea und Russland wollen ihr Eisenbahnnetz miteinander verknüpfen. Dazu müsste eine Transitverbindung durch Nordkorea gebaut werden. Aber Pjöngjang schweigt zu dem Vorhaben.

Von Christoph Neidhart

Präsident Wladimir Putin hat kürzlich ein Tor nach Nordkorea geöffnet, zumindest für die russische Eisenbahn. Nun holte er Park Geun Hye, seine südkoreanische Kollegin, zurück ins Projekt, eine Transitlinie durch die isolierte Diktatur zu bauen. Von der Anbindung Südkoreas an die Transsibirische Eisenbahn redet man in Südkorea schon lange. Auf ihrem Gipfeltreffen in Seoul haben Putin und Park vereinbart, diese künftig gemeinsam voranzutreiben. Nordkorea hat sich dazu bisher nicht geäußert.

Wenn Südkorea seine Exporte auf dem Landweg nach Russland und Europa schicken kann, statt durch den Sueskanal, spart es Frachtkosten. Außerdem ist der Transport dreimal schneller und sicherer. Schon beim innerkoreanischen Gipfel 2007 beschlossen Südkoreas Präsident Roh Moo Hyun und der "Geliebte Führer" Kim Jong Il deshalb den Bau einer Transitlinie. Realisiert wurde freilich nur eine zehn Kilometer lange Strecke: bis nach Kaesong, zum gemeinsamen Industriepark der beiden Koreas. Ein Jahr später kam in Seoul der Hardliner Lee Myung Bak an die Macht. Nordkorea schloss den Bahnstummel wieder und verursachte mit dem Thema Atomwaffen Verdruss. Seither herrschen frostige Zeiten zwischen Seoul und Pjöngjang.

Die Russen gaben sich damit nicht zufrieden, sie trieben das Transitprojekt auf ihrer Seite alleine voran. Im Delta des Tumen-Flusses in seinem äußersten Nordosten hat Nordkorea eine 17 Kilometer lange Grenze mit Russland. Zur Sowjetzeit führte eine Bahnlinie vom russischen Chasan in die nordkoreanische Hafenstadt Rajin, heute auch Rason genannt. Nur wurde sie seit dem Kollaps der Sowjetunion nicht mehr gebraucht. Moskau lieferte nichts mehr nach Nordkorea, sondern verlangte, es müsse acht Milliarden Dollar an Schulden zurückzahlen.

Die Absicht, die Verbindung zu reaktivieren, äußerten Moskau und Pjöngjang schon lange. Aber geschehen ist nichts. Erst im Jahr 2008, auf dem Höhepunkt der Nuklearkrise, begann Moskau mit dem Neubau: zweispurig und mit speziellen Mehrschienengleisen, damit sowohl koreanische Normalspur- wie auch russische Breitspurzüge verkehren können. Im September ist die Strecke eingeweiht worden.

"Der letzte Preis Ostasiens"

Nordkorea gilt als "der letzte Preis Ostasiens". Wenn das Regime der Kims zusammenbricht, werden sich hier enorme wirtschaftliche Möglichkeiten auftun: Einerseits wird es billige Arbeitskräfte geben, andererseits große Aufträge, denn Nordkorea muss völlig neu aufgebaut werden. Jenes Nachbarland, das im Moment der Öffnung schon da ist, wird am meisten profitieren. Einst hatte Russland die beste Ausgangslage, dann Japan, später Südkorea. Alle drei haben ihre Vorteile verspielt. Bleibt China.

Nun versuchen Seoul und Moskau, im Norden wieder etwas Fuß zu fassen. Die 54 Kilometer lange Bahnlinie nützt Russland nichts, solange es den eisfreien Hafen von Rajin nicht nutzen kann. Daher haben Seoul und Moskau sich geeinigt, diesen gemeinsam auszubauen. Bis es eine zuverlässige Bahnverbindung von Seoul durch Nordkorea nach Chasan gibt, sollen südkoreanische Güter mit dem Schiff nach Rajin verfrachtet und dort auf die russische Bahn umgeladen werden.

Bis zum Zusammenbruch des Kommunismus waren die Sowjetunion und Südkorea Feinde. Sie nahmen erst 1991 diplomatische Beziehungen auf. Seither entwickeln sich die Beziehungen rasant, vor allem wirtschaftlich. Russland bringt Südkoreas Satelliten ins All, Südkorea exploriert russische Gasfelder und hat an der Pazifikküste einen Industriepark gebaut. Die Schulden, die Moskau damit angehäuft hat, soll es in gemeinsame Projekte in Nordkorea investieren. Zum Beispiel in die Transitverbindung, die Südkorea näher an Europa rückt - Park nennt das ihre "eurasiatische Initiative" - und Seoul und Moskau das Tor zum Norden wieder öffnet.

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SZ vom 15.11.2013/ter
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