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Einwohnerentwicklung nach Zensus:Deshalb ist Deutschland geschrumpft

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Plötzlich sind sie weg. Quasi über Nacht hat Deutschland auf dem Papier 1,5 Millionen Einwohner verloren. Besonders betroffen sind die Stadtstaaten Berlin und Hamburg. Vor allem Menschen, die ins Ausland ziehen, machen den Statistikern zu schaffen.

Von Pascal Paukner

Berlin trifft es besonders heftig. Am Freitagmorgen hat die Stadt auf einen Schlag 180.000 Einwohner verloren. Nicht weil irgendeine Katastrophe geschehen ist oder die Mieten über Nacht noch weiter gestiegen sind. Schuld daran ist Roderich Egeler, Chef des Statistischen Bundesamts.

Seine Behörde hat in den vergangenen Monaten die Ergebnisse des vor zwei Jahren durchgeführten Zensus ausgewertet und kann nun belegen, was in dieser Deutlichkeit kaum jemand erwartet hatte: Deutschland hat wesentlich weniger Einwohner als bisher angenommen. Von 81,7 Millionen waren die obersten Statistiker des Landes bisher ausgegangen. Tatsächlich sind es nur 80,2 Millionen. Eine Abweichung von 1,5 Millionen - oder 1,8 Prozent.

Besonders groß ist die Differenz bei den in Deutschland lebenden Ausländern. Von mehr als sieben Millionen waren die Behörden bislang ausgegangen. Nun zeigt sich: Bei der Erhebung vor zwei Jahren waren es gerade einmal 6,2 Millionen - 15 Prozent Differenz. Eine Entwicklung, die selbst den Statistikexperten Egeler überrascht.

Letzte Volkszählungen 1987 und 1981

Die Gründe für die starken Korrekturen, die nun nötig waren, liegen weit in der Vergangenheit. Die letzte Volkszählung in Westdeutschland fand 1987 statt. In der DDR wurde letztmalig 1981 gezählt. Als sich West und Ost wiedervereinigten, wurden die Daten zusammengeworfen und über Jahrzehnte fortgeschrieben. Dass dabei Fehler passieren, wundert Heike Trappe, Professorin am Institut für Soziologie und Demographie der Universität Rostock, nicht. "Mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur letzten Volkszählung ist die Statistik immer fehleranfälliger geworden", sagt Trappe.

Das bestätigen Mitarbeiter des Statistischen Bundesamtes auf Nachfrage. Die Fortschreibung der Bevölkerungszahlen wird allein auf Basis der vorhandenen Daten getätigt. Fehlerquoten werden nicht einberechnet, allein schon deshalb, weil das gesetzlich gar nicht erlaubt wäre.

Für die Fortschreibung der Bevölkerungszahl nutzt die Behörde mehrere Datenquellen: Die Geburten- und Sterbefälle der Standesämter, die als sehr akkurat gelten. Sowie die Angaben der Einwohnermeldeämter über Zu- und Wegzüge, die als fehleranfällig gelten, weil Wegzüge ins Ausland im Gegensatz zu Umzügen im Inland selten den Behörden gemeldet werden. Da passt es auch ins Bild, dass die Daten in Berlin, Hamburg und Baden-Württemberg besonders stark korrigiert werden mussten. Dort wohnen überdurchschnittlich häufig Menschen mit Migrationshintergrund.

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