Einwanderungspolitik:Der Papst gegen den Donald - worum es wirklich geht

Papst Franziskus und Donald Trump

Papst Franziskus und Donald Trump.

(Foto: REUTERS)
  • Zweifel an christlicher Gesinnung Donald Trumps: Was Franziskus wörtlich gesagt hat.
  • Welcher Konflikt hinter der politischen Aussage des Papstes steckt.
  • Warum Trumps Rivalen sich zurückhalten.
  • Weshalb Kritik am katholischen Kirchenoberhaupt dem Milliardär nicht unbedingt schadet.

Von Johannes Kuhn, New Orleans

Dass der Papst und Donald Trump (auch als "The Donald" bekannt) aneinander geraten, ist eine der ungewöhnlicheren Entwicklungen in diesem ohnehin schon abenteuerlichen US-Wahlkampf. Wie konnte es dazu kommen? Ein Überblick (Schnellleser finden unter "Bedeutung" jeweils Zusammenfassungen).

Was der Papst gesagt hat:

Aus dem englischsprachigen Transkript des Pressegesprächs auf dem Rückflug von Mexiko nach Rom:

Frage von Phil Pullella, Reuters: "Sie haben heute sehr wortgewandt über die Probleme der Einwanderung gesprochen. Auf der anderen Seite der Grenze gibt es einen harten Wahlkampf. Einer der Kandidaten für das Weiße Haus, der Republikaner Donald Trump, hat jüngst in einem Interview gesagt, dass Sie ein politischer Mann seien und sogar gesagt, dass Sie eine Schachfigur, ein Instrument der mexikanischen Regierung für Migrationspolitik seien. Trump hat gesagt, wenn er gewählt wird, werde er eine 2500 Kilometer lange Mauer entlang der Grenze errichten. Er will 11 Millionen illegaler Einwanderer deportieren, Familien trennen und so weiter. Ich würde Sie gerne fragen, was denken Sie über diese Anschuldigungen gegen Sie und kann ein nordamerikanischer Katholik eine solche Person wählen?"

Antwort von Papst Franziskus: "Gottseidank hat er mich einen Politiker genannt, denn Aristoteles hat den Menschen als 'politisches Wesen' definiert. Zumindest bin ich ein Mensch. Ob ich eine Schachfigur bin, nun, vielleicht, ich weiß es nicht. Ich überlasse das Ihrem Urteil und dem der Menschen. Und nun, ein Mensch der nur über das Errichten von Mauern nachdenkt, wo auch immer sie sein mögen, und nicht über das Bauen von Brücken, ist kein Christ. Das steht nicht im Evangelium. Im Bezug auf das, was Sie gesagt haben, ob wählen oder nicht wählen, ich werde mich da nicht einmischen. Ich sage nur, dass dieser Mann kein Christ ist, wenn er solche Dinge gesagt hat. Wir müssen sehen, ob er Dinge in dieser Weise gesagt hat, und ich lege ihm das hier im Zweifel zu seinen Gunsten aus."

Bedeutung: Franziskus' Äußerung liest sich im Kontext nuancierter, der Papst betritt aber vermintes politisches Gebiet, um die Botschaft der Mitmenschlichkeit zu verteidigen. Er kritisiert nicht allgemein eine solche politische Haltung, sondern direkt "einen Menschen, der nur über das Errichten von Mauern" nachdenke - Trump (oder, auf das Wahlprogramm bezogen, eine ganze Reihe republikanischer Kandidaten). Franziskus entschärft seine politische Rolle und am Ende seine Aussage ("ob er Dinge in dieser Weise gesagt hat"), doch mit dem direkten Bezug auf den Präsidentschaftsanwärter ist der Zusammenhang hergestellt.

Wie Trump reagiert hat:

Auszug aus der Pressemitteilung:

"Falls und wenn der Vatikan von ISIS angegriffen wird, der wie alle wissen die ultimative Trophäe für ISIS ist, kann ich versprechen, dass der Papst nur wünschen und beten hätte können, dass Donald Trump der amerikanische Präsident gewesen wäre, denn das wäre nicht passiert. ISIS wäre ausgelöscht, anders als was jetzt mit unseren "Viel Gerede, wenig Action"-Politikern.

Der Papst hat nur die eine Seite der Geschichte [bei seinem Besuch der mexikanisch-amerikanischen Grenze d. Red.] gehört - er hat nicht die Kriminalität, den Drogenhandel und die negativen wirtschaftlichen Folgen der gegenwärtigen Politik für die USA gesehen. (...) Es ist schändlich von einem religiösen Führer, den Glauben eines Menschen anzuzweifeln. Ich bin stolz, ein Christ zu sein und als Präsident werde ich es nicht erlauben, dass das Christentum ständig attackiert und geschwächt wird, so wie es jetzt unter unserem aktuellen Präsidenten der Fall ist. (...) Sie [die mexikanische Regierung, d. Red.] nutzt den Papst als Schachfigur und sollte sich dafür schämen."

Am Abend gab sich Trump in einer CNN-Wahlsendung gemäßigter: Die Aussagen des Papstes seien von den Medien aufgeblasen worden, zudem sei Franziskus wahrscheinlich bei seinem Besuch von der mexikanischen Regierung beeinflusst worden. Franziskus sei ein "wunderbarer Kerl", den er jederzeit treffen würde. Wie sein Wahlkampfberater Dan Scavino merkte er an, dass der Vatikan selbst über beachtliche Mauern verfügt.

Bedeutung: Trump stellt Franziskus erneut als von fremden Interessen manipuliert dar. Vor allem aber wirft er ihm vor, in der Bewertung der "Christlichkeit" des Kandidaten seine Kompetenzen zu überschreiten (allerdings muss man dem Papst in dieser Frage ziemlich viel Kompetenz zugestehen). Am Ende geht es um zwei Fragen: Wie politisch darf ein Religionsführer sein und wie christlich ist die Haltung der republikanischen Kandidaten, die im Wahlkampf selbst immer wieder auf christliche Werte beziehen?

Die Reaktionen der Rivalen:

Jeb Bush, selbst Katholik, erklärte, Trumps Glauben sei Privatsache. "Es ist nicht unchristlich, dafür zu sorgen, dass Menschen nicht illegal über unsere Grenze kommen. Das ist eine Sache, die man tun muss." Der Papst werde "zu politisch". Zugleich kritisierte er Trumps Einwanderungspolitik und bezweifelte dessen Fähigkeiten im Anti-Terror-Kampf. Marco Rubio, Senator aus Florida und nach dem Ausflug in evangelikale Gefilde wieder praktizierender Katholik, betonte die teilnahmsvolle Einwanderungspolitik der USA, die eine Million Menschen jährlich aufnähmen. Doch beim Schutz der Grenze ginge es auch um Schutz vor Terroristen; dies habe der Papst womöglich nicht vollständig verstanden. Ted Cruz, der die Evangelikalen umwirbt, erklärte, die Angelegenheit sei "eine Sache zwischen Donald und dem Papst. Ich mische mich da nicht ein." Der streng gläubige Neurochirurg Ben Carson erklärte, er würde es sich nicht erlauben, über den Glauben anderer Menschen zu urteilen.

Bedeutung: Trumps politische Gegner sind eher auf Trumps Seite als auf der des Papstes, schließlich betonen auch sie, dass die Sicherung der Grenze eine zentrale politische Mission für sie darstellt. Ihre Wähler dürfte das Thema Einwanderung ohnehin wichtiger als eine Verteidigung eines Papstes, der als linksgerichtet gilt. Und Vorwahlen in Staaten wie Massachusetts, in denen Katholiken eine stärkere Rolle spielen, sind noch weit weg.

Hintergrund: Anti-Katholizismus in den USA

Der Konflikt zwischen Trump und dem Papst lässt die lange Geschichte des Anti-Katholizismus in den Vereinigten Staaten anklingen. Die Siedler waren von europäischen Reformbewegungen geprägt und akzeptierten katholische Einwanderer nur unter bestimmten Bedingungen; noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es anti-katholische Ausschreitungen.

Die Vielzahl irischer Einwanderer gab dem Katholizismus ab 1860 eine stärkere kulturelle Präsenz, doch nativistische Strömungen und Gruppen wie der Ku Klux Klan propagierten im 20. Jahrhundert einen ausgeprägten Anti-Katholizismus. Der erste katholische Präsident John F. Kennedy musste sich im Wahlkampf fragen lassen, ob er Befehle des Papstes empfange.

Inzwischen haben Evangelikale und katholische Bischöfe in Fragen wie der Abtreibung oder der gleichgeschlechtlichen Ehe gemeinsame Haltungen - allerdings haben prominente Evangelikale die Furcht geäußert, dass die katholische Kirche unter Franziskus nach links rücken könnte.

Bedeutung: Gerade im nativistisch geprägten Teil der Trump-Anhängerschaft dürfte Kritik am Papst nicht für Schaden sorgen. Der Immobilien-Milliardär kennt die Vorurteile - und erwähnte vor der Vorwahl in Iowa nicht ohne Hintergedanken, dass Ted Cruz ein heimlicher Katholik sein könnte ("nicht viele Evangelikale kommen aus Kuba, okay? Denkt einfach daran.") Und bisher hat Trump alle Attacken gegen ihn (etwa vom britischen Premier Cameron, Frankreichs Premier Valls oder Türkeis Präsident Erdogan) zu seinem Vorteil genutzt.

#MakeTheVaticanGreatAgain: Die besten Twitter-Reaktionen

Trump, seine Wahlkampf-Sprüche und die katholische Kirche - eine perfekte Kombination für Twitter-Reaktionen. Eine Auswahl.

"Das Christentum gewinnt einfach nicht mehr. Wenn ich Papst bin, werden wir in die größten, stärksten und elegantesten Kreuzzüge ziehen."

"Ich werde eine riesige, fabelhafte Mauer um die Atheisten bauen und sie werden sie bezahlen."

"Er [der Papst] bricht Brot mit Christus - mir gehören einige der nobelsten Restaurants der Welt. Was für ein Verlierer."

"Meine Quellen sagen mir, dass der Papst in Wahrheit Jorge heißt, nicht Franziskus. Er wurde in Argentinien geboren, nicht Rom. Der Ted Cruz der Päpste!"

"Als jemand der den Bestseller 'The Art of the Deal' geschrieben hat, kann ich sagen: Niemand liest überhaupt Latein. Total langweilig."

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