Einwanderungsgesetz:Hamsterrad der Migration

Die Jahrzehnte der Unvernunft müssen zu Ende gehen. Die Vorschriften des Einwanderungsrechts müssen so einfach und klar sein, dass sie auf einen Bierdeckel passen.

Von Heribert Prantl

Was lange währt, wird endlich ...? Nein, dass es gut wird, das kann man nach Jahrzehnten der politischen Unvernunft wirklich nicht sagen. Es ist noch immer zum Verzweifeln: Kaum war die Tür zu einem einigermaßen vernünftigen Einwanderungsgesetz wenigstens einen Spalt geöffnet, warf sich die Union schon wieder mit Macht gegen sie, obwohl es diesmal Horst Seehofer selbst war, der CSU-Bundesinnenminister, der die Tür einen Spalt geöffnet hatte. In letzter Minute fand sich nun ein Kompromiss, der es ermöglicht, das "Fachkräfte-Einwanderungsgesetz" nun doch noch auf den Weg zu bringen.

Unter Zuhilfenahme der öden alten Formel von der "Zuwanderung in unsere Sozialsysteme" haben Unionspolitiker es aber erzwungen, dass die Arbeitsregelungen für Flüchtlinge aus dem Einwanderungsgesetz herausgenommen und in ein eigenes Gesetz ausgelagert werden. Es war so und es bleibt so: Immer dann, wenn das Wort Asyl und das Wort Einwanderung nah beieinanderstehen, setzt bei der Union die Vernunft aus. Die Union kann es nicht lassen, dann sogleich vom Missbrauch der Sozialsysteme zu reden. Mit solchen Sprüchen dreht sie das Hamsterrad der Migrationsgeschichte weiter.

Vor 60 Jahren begann in der Bundesrepublik die Anwerbung von Gastarbeitern; aber erst 2005 begannen Integrationskurse. Vor allem die Union war schuld daran, dass das alles so lange gedauert hat. Und ein klares und transparentes Einwanderungsrecht gibt es 2018 noch immer nicht. Den verlorenen Jahren dürfen nicht noch weitere folgen. Lang genug war es so, dass die herrschende Politik so tat, als sei Einwanderung dann nicht existent, wenn man sie einfach nicht zur Kenntnis nimmt. In den Wahlkämpfen wurde lange "Deutschland ist kein Einwanderungsland" plakatiert. Darin bestand die Einwanderungspolitik. Diese Blindheit hat Nachwirkungen bis heute.

Das neue Fachkräfte-Einwanderungsgesetz ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Es fehlt etwa der so bitter notwendige klare Spurwechsel vom Asylrecht ins Einwanderungsrecht; die kleinen Weichenstellungen, die es hier gab, sind nun aus dem Einwanderungsgesetz getilgt. Das ist Manko Nummer eins. Das Manko Nummer zwei: Das Gesetz ist zu kompliziert. Ein Einwanderungsrecht, das so kompliziert ist wie das deutsche Steuerrecht, taugt nichts. Hier hätte die Forderung einen Sinn, die Friedrich Merz einst für die Steuererklärung aufstellte: Ein Einwanderungsrecht muss so einfach sein, dass man es auf einen Bierdeckel schreiben kann.

Das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz ist ein leider nur kleiner, aber gleichwohl wichtiger Schritt für die Migrationspolitik - genauer: Es könnte so ein Schritt sein, wenn das Gesetz nicht wieder, wie das große Zuwanderungsgesetz, das vor 15 Jahren verabschiedet werden sollte, von der Union zerkrümelt wird. Die Union torpedierte damals jeden Fortschritt bei der Einwanderungs- und Integrationspolitik - und Angela Merkel, damals Parteichefin, machte dabei kräftig mit. Da half es nichts, dass Richard von Weizsäcker die Union beschwor, dem Einwanderungsgesetz zuzustimmen. Es bedeute, so Weizsäcker damals, für die Innenpolitik das, was die Ostverträge einst für die Außenpolitik bedeutet hatten. Dieser Hinweis war damals richtig, und er ist es heute noch. Deutschland braucht ein für jeden kapierbares Einwanderungsgesetz.

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