Süddeutsche Zeitung

Fachkräfte:Was sich mit dem Einwanderungsgesetz ändern soll

Die Pläne der Koalition sehen Lockerungen für Qualifizierte und für Ausreisepflichtige vor - aber nur, wenn sie einige Voraussetzungen erfüllen. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Michael Bauchmüller und Constanze von Bullion, Berlin

Horst Seehofer verzieht das Gesicht, er sagt: "Müssen Sie mir vor Weihnachten noch Schmerzen zufügen?" Und das nur, weil ein Journalist vom Innenminister wissen will, ob Deutschland nun eigentlich ein Einwanderungsland sei. Denn faktisch ist es das längst - nach jahrzehntelangem Widerstand vor allem aus der Union. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik hat eine Regierung sich nun entschlossen, Einwanderung auch so zu nennen, im "Fachkräfteeinwanderungsgesetz". Es soll Menschen, die aus Ländern jenseits der EU stammen, den Zuzug erleichtern. "Es ist ein Gesetz, das einlädt", sagt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Zudem sollen auch abgelehnte Asylbewerber profitieren.

Wozu ist ein Einwanderungsgesetz nötig?

In Deutschland fehlen in viele Branchen Fachkräfte. 1,2 Millionen Stellen können derzeit laut Regierung nicht besetzt werden. Vielerorts kann der Bedarf an Mitarbeitern mit deutschen und europäischen Arbeitnehmern nicht mehr gedeckt werden. Daher fordern Wirtschaftsverbände im Verein mit SPD, Grünen und Teilen der Linken ein Gesetz, das den Zugang zum Arbeitsmarkt weiter öffnet. Viele Unternehmen klagen, ausländische Fachkräfte würden durch komplizierte Anerkennungsverfahren gehindert, nach Deutschland zu kommen. Dies sei eine Wachstumsbremse. "Die Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte ist unerlässlich, um dauerhaft Wachstum, Wohlstand und stabile Sozialsysteme zu sichern", sagt Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer. Das gelte gerade im personalintensiven Handwerk. Aber auch Software-Firmen hoffen auf neue Leute.

Was will die Bundesregierung ändern?

Das Kabinett hat nun zwei Gesetzentwürfe beschlossen. Der erste ist das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Es regelt die Einwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt für Menschen, die jetzt noch im Ausland leben. Wenn sie eine qualifizierte Berufsausbildung abgeschlossen haben, können sie künftig bis zu sechs Monate lang in Deutschland nach Arbeit suchen, auch wenn sie noch kein Jobangebot haben. Für Akademiker gibt es diese Möglichkeit bereits. Voraussetzung für die Arbeitssuche qualifizierter Fachkräften ist, dass sie für den eigenen Lebensunterhalt sorgen können und keine Sozialleistungen beziehen.

Können auch Ungelernte kommen?

Zunächst war in dem Entwurf vorgesehen, dass Menschen aus IT-Berufen und anderen sogenannten Engpassberufen auch ohne Berufsqualifikation kommen können. Wirtschaftsverbände hatten auf den hohen Bedarf an Ungelernten hingewiesen, die in Deutschland ausgebildet werden könnten. Auf Druck der CDU gehen die Chancen für diese Gruppe im Fachkräftezuwanderungsgesetz nun aber gegen null. IT-Spezialisten sind die Einzigen, die ohne Berufsabschluss nach Deutschland kommen können. Sie müssen allerdings fünf Jahre Berufserfahrung nachweisen. Das Arbeitsministerium darf zudem nun Berufsgruppen festlegen, für die gar keine Aufenthaltserlaubnis zur Jobsuche erteilt wird.

Was gilt für Menschen, die in Deutschland eine Berufsausbildung machen wollen?

Dieser Gruppe wurde im Fachkräfteeinwanderungsgesetz auf Wunsch der CDU der Zuzug nach Deutschland in letzter Minute erheblich erschwert. Nur wer eine deutsche Auslandsschule absolviert oder einen ausländischen Hochschulabschluss hat, kann zur Ausbildung nach Deutschland kommen. Das ist ein vergleichsweise privilegierter Kreis. Zudem müssen Bewerber mindestens gute deutsche Sprachkenntnisse nachweisen und dürfen maximal 25 Jahre alt sein. Wer diese Kriterien erfüllt, kann zur Suche nach einem Ausbildungsplatz für sechs Monate einreisen. Voraussetzung ist, dass der Lebensunterhalt ohne staatliche Hilfe bestritten werden kann.

Was ist mit geduldeten Flüchtlingen, die schon in Deutschland leben, aber keinen Anspruch auf Asyl haben?

Für Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, aber nicht abgeschoben werden können, etwa, weil in ihrer Heimat Krieg herrscht, gilt das zweite Gesetz, das die Regierung plant. Es heißt "Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung" und soll bewirken, dass Migranten, die sich in Deutschland gut integrieren und von eigener Hände Arbeit leben, die Chance erhalten, dauerhaft zu bleiben.

Das gilt auch für ihre Familien. Wie funktioniert das? Die sogenannte Beschäftigungsduldung sieht vor, dass Menschen, die nur geduldet sind, einen sicheren Aufenthaltsstatus bekommen. Dies ist allerdings an einige Bedingungen geknüpft. So müssen die Antragsteller seit mindestens einem Jahr in Deutschland geduldet sein und schon seit anderthalb Jahren einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nachgehen. Die Wochenarbeitszeit muss mindestens 35 Stunden betragen, bei Alleinerziehenden 20 Stunden. Voraussetzung der Beschäftigungsduldung ist auch, dass die Person für den eigenen Lebensunterhalt sorgen kann, nicht aber für den der ganzen Familie. Wer wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt ist, scheidet aus. Das Gleiche gilt für Menschen mit Kontakten zu Extremisten. Nötig sind zudem "hinreichende Kenntnisse" der deutschen Sprache, auch beim Ehepartner. Wer nach 2016 eingereist ist und seine Identität damals nicht binnen sechs Monate geklärt hat, hat keinen Anspruch. Wer früher eingereist ist, kann den Anspruch nach Klärung seiner Identität noch erwerben. Wer eine Duldung bekommt, muss drei Monate warten, bevor es losgeht. In dieser Zeit kann er noch abgeschoben werden, etwa bei Sicherheitsbedenken. Die Regelung ist bis Mitte 2022 befristet.

Wann erhalten die Geduldeten ein dauerhaftes Bleiberecht?

Wer 30 Monate lang "im Wesentlichen" lückenlos beschäftigt war und alle Bedingungen erfüllt, kann eine Aufenthaltsgenehmigung beantragen. Zählt man alle Hürden und Fristen zusammen, dann bräuchte ein Geflüchteter 51 Monate, um über die "Beschäftigungsduldung" an eine Aufenthaltsgenehmigung zu gelangen. Aber auch über eine "Ausbildungsduldung" können Geduldete zu einem dauerhaften Aufenthaltsstatus kommen. Hier gibt es bereits eine Regelung, die nun auf Helferberufe wie Pflegekräfte ausgeweitet wird.

Allerdings können einzelne Länder davon ausgeschlossen werden.

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SZ vom 20.12.2018/lalse
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