Einwanderer-Studie des Statistischen Bundesamts:Deutschland erlebt größten Ausländerzuwachs seit 15 Jahren

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Knapp sieben Millionen Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit leben in Deutschland - das sind 177.000 mehr als im Vorjahr. Der höchste Zuwachs seit 15 Jahren lässt sich auf die seit Mai 2011 geltende Freizügigkeit zurückführen, die Einwanderern aus acht EU-Staaten ermöglicht, ohne Genehmigung in Deutschland zu arbeiten. Gewerkschaften warnen vor Lohndumping.

Roland Preuß

Deutschland ist für viele Ausländer deutlich attraktiver geworden. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes vom Mittwoch lebten Ende vergangenen Jahres 6,93 Millionen Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit im Land. Das sind gut 177.000 oder 2,6 Prozent mehr als im Vorjahr - und damit der höchste Zuwachs seit 15 Jahren. Vor allem Zuwanderer aus den neuen EU-Staaten im Osten und Südosten zogen in die Bundesrepublik (siehe Grafik).

Ende vergangenen Jahres lebten 6,93 Millionen Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit in Deutschland. Die größte Gruppe bilden Polen, die Zuwanderung aus dem Süden der EU ist eher gering. Neuzuwanderer aus den Staaten außerhalb der EU spielen im Gegensatz zu den 1990er Jahren nur noch eine untergeordnete Rolle. (Foto: N/A)

Die größte Gruppe bilden Polen, von denen sich fast 50.000 neu niederließen. Am 1. Mai 2011 erhielten Polen sowie die Staatsbürger weiterer sieben EU-Staaten im Osten die volle Freizügigkeit, das heißt, sie dürfen seitdem ohne Genehmigung in Deutschland eine Stelle als Arbeitnehmer annehmen. Die Öffnung hat allerdings nicht zu der von Wissenschaftlern prognostizierten Zuwanderung im großen Stil von bis zu mehreren hunderttausend Menschen pro Jahr geführt.

Dennoch zeigen die Zahlen, dass Zehntausende Menschen die neuen Möglichkeiten nutzten, um in Deutschland zu arbeiten. Gewerkschaften hatten in diesem Zusammenhang vor Lohndumping gewarnt, die Union und Unternehmern sich eine Linderung des Fachkräftemangels versprochen.

Für den jüngsten Zuwachs an Ausländern dürfte vor allem die ungleiche Wirtschaftslage in der Europäischen Union verantwortlich sein: der Boom in Deutschland, der viele Unternehmen nach neuen Mitarbeitern suchen lässt und die Krise in fast allen übrigen EU-Ländern, die einhergeht mit Entlassungen oder sinkenden Löhnen.

Bemerkenswert ist allerdings, dass sich gerade der Zuzug aus den südlichen EU-Staaten, die am tiefsten in der Krise stecken, in engen Grenzen hielt. Die deutschen Behörden zählten gerade einmal 7000 mehr Griechen als noch 2010, aus den anderen überschuldeten Staaten kamen noch weniger Einwanderer. Aus den jüngsten EU-Beitrittsstaaten Rumänien und Bulgarien zieht es dagegen immer mehr Menschen nach Deutschland, obwohl für sie weiterhin Beschränkungen auf dem Arbeitsmarkt gelten. Viele von ihnen sind Roma, die in den beiden Ländern diskriminiert werden und abwandern, um Armut und Arbeitslosigkeit zu entkommen.

22.000 weniger türkische Staatsbürger in Deutschland

Neuzuwanderer aus den Staaten außerhalb der EU spielen im Gegensatz zu den 1990er Jahren nur noch eine untergeordnete Rolle, sie machen gerade einmal zwölf Prozent der Zuzüge aus. Die Zahl der türkischen Staatsbürger in Deutschland ist sogar um gut 22.000 zurückgegangen.

Dies dürfte zwei Hauptursachen haben: Viele Türken lassen sich jedes Jahr einbürgern, im vergangenen Jahr waren es gut 26.000 gewesen. Zudem zieht es viele Deutsch-Türken in die Heimat ihrer Eltern oder Großeltern zurück. Dort wächst die Wirtschaft - im Gegensatz zu den südlichen EU-Ländern - weiter kräftig, viele gut ausgebildete Deutsch-Türken können deshalb in der Türkei schnell Karriere machen.

© SZ vom 05.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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