Süddeutsche Zeitung

Einsatz in Afghanistan:"Es kann mehr Gefechte geben"

Die Bundeswehr rechnet damit, dass nach der Umsetzung des neuen Strategiekonzeptes der Einsatz in Afghanistan gefährlicher wird - zunächst zumindest.

Der Kommandeur der deutschen Afghanistan-Truppen, Brigadegeneral Frank Leidenberger, rechnet angesichts des neuen Strategiekonzepts der Bundesregierung mit einem vorübergehend gefährlicheren Einsatz.

"In der Anfangsphase werden wir gemeinsam mit den afghanischen Sicherheitskräften in die bedrohten Gebiete vorgehen und dort den Gegner verdrängen. Dadurch kann es mehr Gefechte geben", sagte Leidenberger der Bild am Sonntag. Doch danach werde die Gefahr in Nord-Afghanistan deutlich abnehmen, "weil wir schließlich weiter präsent sind".

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hielt auch nach der Londoner Afghanistan-Konferenz den Termin für einen Bundeswehr-Abzug offen. "Ein Abzug ohne das Erreichen unserer Ziele und obendrein ein deutscher Alleingang wäre keine Übergabe in Verantwortung, sondern eine Aufgabe in Verantwortungslosigkeit", sagte Merkel der Welt am Sonntag. Im Norden Afghanistans, dem Verantwortungsbereich der Deutschen, habe sich die Sicherheitslage in einigen Distrikten verbessert, anderswo aber auch deutlich verschlechtert, erklärte die Kanzlerin.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) bekannte sich indes zu dem Ziel, den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan 2011 zu beginnen. Er lehnte es aber ab, hierfür eine Garantie abzugeben. Westerwelle rief die Parteien im Bundestag auf, ein neues Mandat für den Einsatz der Bundeswehr mitzutragen. "Ich möchte SPD und Grüne herzlich bitten, sich nicht ihrer Verantwortung zu entziehen und sich mit vorgeschobenen Gründen einen schlanken Fuß zu machen", sagte er in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Voraussichtlich am 10. Februar werde er im Bundestag eine Regierungserklärung abgeben.

Die Regierung will die Truppen-Obergrenze in Afghanistan von 4500 auf 5350 erhöhen. Am Donnerstag hatte die Staatengemeinschaft in London vereinbart, mehr afghanische Sicherheitskräfte auszubilden und gemäßigte Taliban-Kämpfer zum Ausstieg zu bewegen. Damit soll auch der Abzug der internationalen Truppen beschleunigt werden. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier ließ im Deutschlandfunk offen, ob die Sozialdemokraten der Truppenaufstockung zustimmen werden.

Der afghanische Präsident Hamid Karsai will an seinem Kurs festhalten, die Taliban in das Konzept zur Befriedung einzubinden. Vor allem habe der Westen bei der Afghanistan-Konferenz in London "endlich" begriffen, wie wichtig ein Aussöhnungsprogramm mit den Taliban für Afghanistan sei, sagte Karsai dem Magazin Der Spiegel.

Die Taliban bekräftigten indes ihr Festhalten am "Heiligen Krieg gegen alle Invasoren". In einer am Samstag in Kabul verbreiteten Erklärung dementierte die Führung der radikal-islamischen Taliban jede Friedensbereitschaft.

Berichte über ein angebliches Treffen der Taliban-Führung mit dem Afghanistan-Beauftragten der UN, Kai Eide, wurden als "sinnlose und gegenstandslose Gerüchte" bezeichnet.

Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, vermisst in der deutschen Afghanistan-Debatte die Stimme der Generäle. "Mir fehlt in der deutschen öffentlichen Debatte manchmal der militärische Sachverstand", sagte Ischinger dem Magazin Focus. "Die Generalität könnte sich in der Tat häufiger zu Wort melden." Das könne die Akzeptanz fördern, "weil die Bürger klare Fakten und Daten - reinen Wein sozusagen - sehr schätzen". Die neue Afghanistan-Strategie wird auch im Fokus der Sicherheitskonferenz stehen, die kommendes Wochenende in München stattfinden wird.

Weiter für Diskussionen sorgt der von der Bundeswehr befohlenen Luftangriff auf zwei Tanklastwagen nahe Kundus, bei dem bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt worden waren. Der geheime Nato-Untersuchungsbericht weise dem Kommando Spezialkräfte (KSK) eine größere Rolle als bisher bekannt zu, berichtet Der Spiegel. Die "vielen Verstöße des deutschen Obersts Georg Klein gegen Nato-Vorschriften" seien nur möglich gewesen, weil dieser ausschließlich vom Gefechtsstand der sogenannten Task Force 47 aus agierte, an der Elitesoldaten der KSK beteiligt gewesen sein sollen.

Klein soll am 11. Februar im Kundus-Untersuchungsausschuss aussagen.

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