Einsätze von Drohnen:Lebensretter und Spione

Drohneneinsatz

Eine Drohne in Berlin: Solche Einsätze könnten bald alltäglich werden. 

(Foto: Britta Pedersen/dpa)

Ähnlich bedeutend wie die Erfindung des Düsenantriebs: Wenn es nach den Herstellern geht, sollen Drohnen bald auch in unserem Alltag im Einsatz sein. Doch dem könnte der schlechte Ruf der Drohne als Waffe im Weg stehen. Eine unverstandene Industrie sucht neue Strategien der Vermarktung.

Von Nicolas Richter, Washington

Zur Einstimmung zeigen sie den Film "Chorebot". Darin geht ein Hausroboter jeden Morgen mit dem Hund nach draußen, um Ball zu spielen. Als das Herrchen verschwindet und der Haushalt aufgelöst wird, will jemand den Hund abholen. Der Hund aber sträubt sich und winselt so lange, bis man ihn bei seinem Freund, dem Roboter, bleiben lässt, der ihm Tag für Tag so treu den blauen Ball zugeworfen hat.

Roboter können geliebt werden, soll das heißen, und die Roboter-Industrie möchte geliebt werden, sehr sogar. Vor allem die Hersteller unbemannter Fluggeräte. In der Umgangssprache heißen diese Flugzeuge Drohnen; sie sind in Verruf geraten, weil vor allem die US-Regierung sie benutzt, um Terrorverdächtige zu töten. Doch nun, da die Industrie ihre Produkte nicht mehr nur für den militärischen, sondern mit Macht auch für den Alltag vermarkten möchte, blickt sie sehr nervös darauf, wie Politiker, Behörden und Öffentlichkeit diese technische Revolution aufnehmen - die wohl größte in der Luftfahrt seit Erfindung des Düsenantriebs.

In dieser Woche hat der Fachverband Auvsi (Association for Unmanned Vehicle Systems International) seine Messe in der US-Hauptstadt Washington abgehalten. Zuweilen fühlte man sich dort wie in einer Wagenburg der Unverstandenen. 500 Hersteller aus aller Welt priesen Hochleistungs-Flugzeuge, Kameras, Sensoren, Turbinen, Antennen, Kunststoffe, aber so fasziniert sie sich von ihrer Ware zeigten, so irritiert waren sie auch darüber, dass viele Leute da draußen noch nicht überzeugt seien. Besonders auf dem US-Markt sind die Hersteller jetzt der Politik ausgeliefert, denn anders etwa als in Deutschland und Frankreich sind kommerziell genutzte Drohnen bislang weitgehend verboten. Die Luftfahrtbehörde FAA arbeitet zwar Regeln aus, aber die könnten strenger ausfallen, als es der Industrie lieb wäre, und einzelne US-Staaten und Landkreise erwägen sogar, Drohnen ganz zu verbieten.

Landwirtschaft könnte größter Kunde werden

Dabei könnten die neuen Fluggeräte durchaus nützlich sein, und vielerorts sind sie es längst. In Japan etwa besprühen sie die Felder schon seit Jahren mit Unkrautvernichtungsmitteln, wobei sie mit weniger Gift auskommen als Kleinflugzeuge, die höher fliegen müssen. Viele Firmen preisen Geräte für Überwachung und Inspektionen an. Sie filmen Strommasten, Raffinerien, Bohrinseln, Mobilfunkmasten, sie suchen Brücken nach Rost ab, beobachten Tierherden, Eisberge, Verkehrsstaus. Oft ist dies billiger und sicherer, als Menschen auf Hebebühnen zu stellen, in Hubschrauber zu setzen oder in Gondeln an Hochspannungsleitungen zu hängen.

Während die militärischen Langstrecken-Drohnen noch aussehen wie kleine Flugzeuge, ähneln die meisten Zivildrohnen kleinen Hubschraubern mit vier Rotoren, mit der Spannweite einer Gießkanne, wenige Kilo schwer und - noch - Zehntausende Dollar teuer. Der französische Hersteller Workfly hat die Rotoren übereinander gelegt und das Ganze in einen Drahtkorb gefasst, der aussieht wie ein Lampenschirm. Berührt die Drohne beim Absuchen einer Fassade oder einer Brücke die Wand, gehen die Rotoren nicht kaputt. Für Notfälle ist noch ein Fallschirm eingebaut. Workfly richtet sich damit auf Einsätze in Großstädten ein, wo die Nähe der Maschine zu Menschen und windigen Häuserschluchten gefährlich werden kann.

Die Industrie rechnet damit, dass die Landwirtschaft der größte Kunde sein wird, gefolgt von Sicherheits- und anderen Behörden. An den Messeständen schildern die Verkäufer routiniert all jene Notlagen, in denen Drohnen Leben retten sollen; mit Infrarot-Kameras ausgestattet könnten sie der Feuerwehr helfen, sich in Rauchschwaden zu orientieren, sie könnten auch bei Nebel Lawinenopfer finden. So richtig das sein mag, so sehr werden die Geräte dem staatlichen Sicherheitsapparat freilich auch dort helfen, wo er nicht so demokratisch ist, wo er Regimegegnern nachstellt oder Demonstranten einschüchtert.

Ein Knackpunkt ist die Sorge um die Privatsphäre

Die Firma AEE aus China zeigt einen Film aus einer Drohne, auf dem zu sehen ist, wie eine Sondereinheit der Polizei in Shenzhen das Einkesseln von Demonstranten übt, was eher beunruhigend wirkt. Und natürlich befürchten viele Menschen in den USA und anderswo, dass jemand sie mit einer Drohne beobachten könnte, im Garten, oder mit der Wärmebildkamera durch die Gardinen im obersten Stock. Ferner kann man davon ausgehen, dass Industriespione künftig auf Drohnen setzen.

Viele Verkäufer sagen, man müsse die Menschen nur über die Vorteile aufklären, dann würden die Ängste schon irgendwann verfliegen. Aber die Analysten und Lobbyisten wissen, dass sie gerade in den USA noch einen langen Weg vor sich haben. "Die öffentliche Meinung und die Sorge um die Privatsphäre sind die Knackpunkte", sagt der Marktforscher Ron Stearns. Sein Kollege Michael Blades erwartet, dass die Luftfahrtbehörde FAA (Federal Aviation Administration) zunächst Drohnen für die Landwirtschaft zulassen wird. Über den Feldern würden abstürzende Maschinen weder Menschen verletzen noch in deren Privatsphäre eindringen.

Schwieriger aber werde es danach, wenn sich die Drohnen den Häusern und Städten näherten, sagt Blades. Etliche Bürger würden dann vor Gericht ziehen. Außerdem werde die FAA ein System verlangen, das Drohnen-Zusammenstöße verhindere. Das US-Parlament hat der FAA bis Ende 2015 Zeit gegeben, den zivilen Drohnen-Verkehr zu regeln. Der Druck der Industrie auf die Politik ist groß, denn nicht nur mittelständische Unternehmen hoffen auf einen neuen Markt, sondern auch Rüstungskonzerne, die in Zeiten sinkender Militärausgaben neue Einnahmequellen suchen. Eric Mathewson, ein Lobbyist von Boeing, sagte, man solle mit den Behörden arbeiten und nicht gegen sie. "Sie sind auf unserer Seite, aber wir müssen geduldig sein. Wir müssen Vertrauen aufbauen."

Begriffsfindung für die Produkte

Einstweilen kämpft die Industrie mit einer Grundsatzfrage: Wie soll sie ihr Produkt nennen? Die meisten Experten meiden den Begriff "Drohne", er ist aus ihrer Sicht hoffnungslos diskreditiert. Stattdessen sagen sie "Unmanned aerial system", unbemanntes Flugsystem. Aber unbemannt klingt nicht nur abstrakt, sondern irgendwie auch hirnlos. "Wir werden irgendwann einen besseren Begriff finden", sagt der Marktforscher Blades, "aber vom Wort Drohne halten wir uns lieber fern."

Nicht alle auf der Messe sind so behutsam. Die deutsche Firma Microdrones, die unter anderem die Polizei beliefert, plant keine Namensänderung. Und das US-Unternehmen General Atomics, das die in Afghanistan und Jemen gefürchteten Modelle "Sensenmann" und "Jäger" herstellt, möchte sich ebenfalls keine Wohlfühlnamen ausdenken. "Wir liefern doch ein Militärgerät", sagt der Verkäufer.

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