Einsätze in Afrika:Wie die USA ihren Drohnenkrieg organisieren

Ablauf eines Drohnenangriffs

Ablauf eines Drohnenangriffs

(Foto: SZ-Grafik)

Hunderte Soldaten, Geheimdienstler und Techniker arbeiten zusammen, wenn ein Mensch mittels Kampfdrohne getötet werden soll. Der Ablauf eines Drohneneinsatzes - von der Zielrecherche bis zur Datenauswertung.

Von Christian Fuchs und John Goetz

Der Krieg mit Drohnen ist eine ziemlich komplizierte und aufwendige Angelegenheit, und in Afrika funktioniert er ungefähr so: Analysten legen zunächst eine "Ziel-Liste" an (Schritt 1 des Drohnenschlags, ausgehend vom US-Kommando Africom in Stuttgart). Sie wählen Personen und Gebäude aus, die möglicherweise angegriffen werden sollen, und ordnen die Ziele nach Wichtigkeit. "Aufklärer" werten Satellitenbilder und Fotos aus, befragen Geheimdienstler und Soldaten in den Einsatzländern und orten die Telefonnummern der potenziellen Opfer. Überwachungsdrohnen beobachten potenzielle Ziele.

Die Entscheidung über Leben und Tod eines mutmaßlichen Islamisten wird nach Dutzenden von Kriterien überprüft - am Ende entscheidet der US-Präsident, wer getötet werden soll (Schritt 2), den Knopf drückt ein Pilot, der nicht in Deutschland sitzt.

Das US-Kommando Africom in Stuttgart hat nach Aussage eines Sprechers die Verantwortung für alle militärischen Operationen der US-Streitkräfte in Afrika, darunter fällt auch die Planung und Koordination des Drohnen-Einsatzes (Schritt 3). Der Personalaufwand für einen 24-Stunden-Einsatz ist enorm. Allein in Ramstein und Stuttgart überwachen 34 Leute die Bildschirme für eine Drohne, dazu kommen noch einmal 18 für die Kommunikationsaufklärung und 14 für die Instandhaltung.

Wenn der Kommandeur über den Einsatz entschieden hat, fahren Techniker auf einer der vier US-Drohnenbasen in Afrika (Dschibuti, Niger, Seychellen, Äthiopien) die fliegenden Roboter auf das Rollfeld und starten die Drohnen (Schritt 4). Manchmal drei bis zehn Maschinen; darunter die Marken Predator (Raubtier), Reaper (Sensenmann) und Global Hawk (Globaler Habicht). Oft sind sowohl Überwachungs- als auch Kampfdrohnen im Einsatz. Für Start und Landung sind etwa sechzig Techniker nötig.

In der Luft übernehmen dann ein "Sensor Operator" und ein Pilot in den USA die Drohne. Ein zusätzlicher "Mission Coordinator" hält Kontakt zu den beteiligten Einheiten . Die Daten, die Pilot und Operator brauchen, kommen bei den Afrika-Einsätzen auch aus Deutschland (Schritte 5 und 6). "Von hier aus wird der Drohnenkrieg in Echtzeit ferngesteuert," bestätigt ein deutscher Techniker, der in Ramstein an den Satellitenanlagen gearbeitet hat.

Wer jeweils den militärischen Befehl zur Exekution (Schritt 7) eines Opfers gibt, ist Geheimnis der Militärs. Es muss kein Kommandeur in Ramstein sein, aber es liegt nahe, dass die Entscheidung über das Abfeuern einer Rakete auf ein Ziel in Afrika auch in Deutschland gefällt wird. Dabei muss ein Rechtsberater wie ein Notar entscheiden, ob alle Punkte für den Einsatz erfüllt sind. Ist das Ziel ein Terrorist? Stellt er nach den üblichen Maßstäben eine unmittelbare und dauerhafte Gefahr für die USA dar? Plant er möglicherweise einen Angriff? Sind Zivilisten in Gefahr?

Informationen über zivile Opfer bleiben geheim

Bei den Afrika-Einsätzen lenkt der Pilot die Drohne über eine Satcom-Anlage, die in Ramstein steht. Als vor zwei Jahren vom US-Kongress eine neue Empfangsstation für Drohnen in Ramstein (Projektnummer TYFR 073143) beschlossen wurde, fand sich dazu im "Militär-Bauprogramm" der Air Force die Erläuterung: Ohne diese neue Anlage könnten "Drohnen-Waffenangriffe nicht unterstützt werden".

Die Anlage in Ramstein empfängt beim Angriff über einen Rückkanal weitere Videos und GPS-Daten aus Afrika, die dann über ein sicheres Glasfaserkabel zwischen Deutschland und den USA zu dem Drohnenpiloten und seinem "Sensor Operator" weitergeleitet werden. Danach werten in Ramstein Spezialisten im sogenannten "Battle Damage Assesment" (Schritt 8) die nach dem Angriff zurückgefunkten Daten sorgfältig aus. Geprüft wird auch, ob Zivilisten umgekommen sind, aber dieser Umstand bleibt dann geheim.

Obama hat Mäßigung im Drohnenkrieg versprochen

Barack Obama, der US-Präsident und Friedensnobelpreisträger, hat die Drohnen früh zum Zentrum seiner Strategie gegen den Terrorismus gemacht. Er kann sich dabei immer noch auf eine Resolution namens "Authorization for Use of Military Force" (AUMF) stützen, die nach dem 11. September 2001 erlasssen wurde und ein Freibrief für den Präsidenten ist, Terroristen weltweit mit militärischen Mitteln zu verfolgen. Allein in Pakistan sind nach Feststellungen der "New American Foundation" zwischen 2000 bis zu 3300 Menschen im Drohnenfeuer gestorben. Der Anteil völlig unschuldiger Opfer liegt, geschätzt, bei knapp zwanzig Prozent.

Obama hat in der vergangenen Woche Mäßigung im Drohnenkrieg versprochen. Vor allem in Pakistan, Jemen und auch in Somalia will er solche Angriffe einschränken. Nur wenn eine Gefangennahme nicht möglich sei, dürften die Verdächtigen getötet werden und auch nur dann, wenn eine unmittelbare Gefahr für Amerikaner bestehe, sagte der Präsident.

Er möchte, wenn überhaupt, nur noch "al-Qaida und damit verbundene Kräfte" mit Drohnen angreifen. Doch wer legt fest, zu welcher Gruppierung ein angeblicher Islamist gehört, der "neutralisiert" werden soll, wie es im Jargon der Drohnenpiloten heißt? Diese Art der Terrorbekämpfung mag für die USA klinisch sauber wirken, sie wird immer wieder neue Fragen aufwerfen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: