Süddeutsche Zeitung

Einladung vom US-Kongress:"Die Ehre ist einzigartig"

Angela Merkel ist seit Adenauer die erste deutsche Regierungschefin, die vor dem US-Kongress sprechen darf. In ihrer Rede wird sie den Kreis schließen zum ersten Kanzler der Republik.

Louay Yassin

Angela Merkel wird an diesem Dienstag etwas zuteil, was vor ihr noch kein Bundeskanzler geschafft hat: Sie darf vor beiden Häusern des US-Kongresses sprechen. Gegen 16:30 Uhr deutscher Zeit wird die Kanzlerin auf Einladung der Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, im Sitzungssaal unter der weißen Kuppel des Kapitols vor Senatoren und Parlamentariern eine rund 25-minütige Rede halten.

Bereits vor 52 Jahren hatte schon einmal ein deutscher Bundeskanzler vor Senatoren und Abgeordneten der USA gesprochen, allerdings in aufeinanderfolgenden Sitzungen. Konrad Adenauer war das protokollarisch höherstehende Zeremoniell einer gemeinsamen Sitzung verwehrt geblieben.

Ausschließlich auf Einladung

"Die Ehre, sich an eine gemeinsame Sitzung des Kongresses zu wenden, ist einzigartig", urteilte Jackson Janes, Direktor des Amerikanischen Instituts für gegenwartsbezogene Deutschlandstudien in Washington. Selbst der US-Präsident darf nur auf Einladung des Kongresses vor beiden Häusern sprechen.

Dennoch griff Merkel nicht bei erstbester Gelegenheit zu. Die Einladung Pelosis habe schon seit geraumer Zeit vorgelegen, heißt es in Berlin. Merkel habe aber die Rede in der "Herzkammer der amerikanischen Demokratie" als Einleitung zu den offiziellen Feiern des 20. Jahrestags des Mauerfalls nutzen wollen.

Deutsche Einheit wichtiges Thema

Dabei wird sie den Kreis zu Konrad Adenauers US-Ansprache schließen. Der "Alte aus dem Rheinland" hatte damals ein eloquentes Gelöbnis abgelegt, dass "Westdeutschland nie wieder in den Krieg ziehen wird", wie die New York Times anerkennend schieb.

Außerdem hatte Adenauer die deutsche Einheit beschworen: "Sie wissen, wie schwer und drückend es auf uns lastet, dass viele Millionen Deutsche gegen alles Recht und alle Moral getrennt von uns unter kommunistischem Terror leben müssen", fügte Adenauer vor dem Senat hinzu.

Hier wird Merkel anknüpfen. Der Jahrestag des Mauerfalls gibt ihr Gelegenheit, sich für die Unterstützung der USA beim Einigungsprozess unter George Bush senior zu bedanken und persönliche Erinnerungen der dramatischen Umbruchzeit zu schildern.

Abgeordnete und Senatoren erwarten Antworten

Allerdings erwartet man in Washington nicht nur Historisches von der deutschen Kanzlerin. Sie wird zu den Problemen der Gegenwart Stellung nehmen müssen. Vor allem beim Kampf gegen den Klimawandel, bei den Sanktionen gegen Iran und bei der Finanzmarktregulierung gehen die Einschätzungen dies- und jenseits des Atlantiks deutlich auseinander. Und als Nato-Partner werden von Merkel auch ein paar klärende Worte zum Afghanistan-Einsatz erwartet.

Merkel ist der 104. ausländische Würdenträger, der im Kuppelbau des Kapitols eine Rede hält seit im Dezember 1874 der hawaiianische König Kalakaua den Anfang machte. Erste Frau war die niederländische Königin Juliana im April 1952. Unter den Frauen ist Merkel Nummer zehn.

Eingeladen hatte der US-Kongress auch vier Bundespräsidenten: 1958 durfte Theodor Heuss hier sprechen, 1975 Walter Scheel, 1983 dann Karl Carstens und 1992 Richard von Weizsäcker. Unter den deutschen Kanzlern wurde aber weder Willy Brandt noch Helmut Kohl diese Ehre zuteil.

Übung mit historischen Ansprachen hat Merkel bereits. Im Mai 2008 hielt sie als erste Kanzlerin vor dem israelischen Parlament, der Knesset, eine Rede. Das war zuvor nur Bundespräsident Johannes Rau im Jahr 2000 erlaubt worden.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.126920
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de/gba
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.