Einigung auf EU-Reformvertrag:Kaczynski zählt die Erbsen

Der polnische Präsident Lech Kaczynski hat den auf dem EU-Gipfel in Lissabon verabschiedeten Reformvertrag als Erfolg für sein Land gewertet. Polen habe "im Prinzip alles bekommen, was es wollte" - fast.

Polens Präsident Lech Kaczynski hat den auf dem EU-Gipfel in Lissabon beschlossenen Grundlagenvertrag als überaus positiv für sein Land gewertet. Der Erbsenzähler Kaczynski war mit dem Ergebnis offensichtlich zufrieden: "Polen hat im Prinzip alles bekommen, was es wollte", sagte er nach Abschluss der Verhandlungen am frühen Freitagmorgen.

Lech Kaczynski

Lech Kaczynski: "Polen hat im Prinzip alles bekommen, was es wollte."

(Foto: Foto: Reuters)

Jaroslaw Kaczynski sprach in Warschau von einem "ungeheuren Erfolg" für Polen. Polen habe eine "sehr starke Position bei Abstimmungen". Polen wählt am kommenden Sonntag ein neues Parlament - in den Umfragen liegt die Kaczynski-Partei PiS hinter der liberalkonservativen Bürgerplattform zurück.

Präsident Kaczynski deutete zugleich an, dass Polen hinsichtlich der künftigen Sitzverteilung im Europaparlament noch Nachforderungen stellen könnte. Auch bezüglich der Einigung zu den Abstimmungsverfahren in der EU vertrat er eine eigenwillige Interpretation.

Zur Zusammensetzung des Europaparlaments ab 2009 sagte der polnische Präsident: "Wir haben beschlossen, dass unsere italienischen Freunde einen zusätzlichen Sitz erhalten. Aber die endgültige Sitzverteilung wird erst im Dezember beschlossen."

Auf dem Gipfel wurde vereinbart, das Parlament 2009 von 785 auf 751 Sitze zu verkleinern. Im Reformvertrag ist aber eine Obergrenze von 750 Mandaten festgeschrieben. Künftig soll nun der Parlamentspräsident nicht mehr als normaler Abgeordneter zählen, so dass die Obergrenze auf dem Papier eingehalten wird. Nach Angaben Kaczynskis werden die Details der Sitzverteilung unterhalb dieser Grenze aber erst im Dezember endgültig beschlossen.

Die bisherigen Pläne, nach denen Polen 51 Mandate erhalten soll, seien "für Polen nicht zufriedenstellend", sagte der Präsident. Im seit Monaten andauernden Tauziehen über die Abstimmungsverfahren in der EU konnte Kaczynski seine Forderung durchsetzen, eine bereits im Juni von Polen erstrittene Sonderklausel nicht nur in einer Erklärung, sondern zusätzlich in einem Protokoll des Reformvertrags festzuschreiben.

Die sogenannte Ioannina-Klausel sei damit gestärkt worden, sagte Kaczynski. Nach Einschätzung von EU-Experten hat sich an der Rechtsstellung der Klausel praktisch jedoch nichts geändert.

Unklarheiten über Dauer der Fristen

Kaczynski legte ferner Wert auf die Feststellung, dass die nach der Ioannina-Klausel möglichen Verzögerungen einer strittigen Entscheidung in dem Protokoll nicht befristet sind. Vielmehr sei von "angemessenen Fristen" die Rede: "Das können bei weniger wichtigen Entscheidungen drei Tage sein, in einigen Fällen aber auch Monate und bei sehr schwierigen Entscheidungen sogar mehrere Jahre", sagte der polnische Präsident.

Aus EU-Diplomatenkreisen verlautete, die Entscheidungsfristen richteten sich nach der Geschäftsordnung des Rates. Darin seien tatsächlich für unterschiedliche Politikbereiche und Verfahren sehr unterschiedliche Fristen vorgesehen. Theoretisch sei daher eine Verzögerung bis zu einem Jahr wohl denkbar - praktisch erhalte mit dem Reformvertrag aber das Europaparlament bei den meisten Entscheidungen ein Mitspracherecht. Schon allein dadurch seien den Beratungen des Rates zeitliche Grenzen gesetzt.

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union hatten in der Nacht zum Freitag auf ihrem Gipfel in Lissabon den Reformvertrag für Europa angenommen, der die Union demokratischer und effizienter machen soll. Bundeskanzlerin Angela Merkel wertete die Einigung als "großen Erfolg". Sie kündigte an, dass das Dokument am 13. Dezember unterzeichnet werden solle.

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