Einbürgerung:Und ewig lockt die Heimat

Viele Zuwanderer verzichten heute darauf, einen bundesdeutschen Pass zu beantragen. Dafür gibt es viele Gründe.

Roland Preuß

Die Zahlen kommen etappenweise, doch die Richtung ist klar: Es geht nach unten. Am Montag konnte auch Hessen beziffern, wie viele Ausländer dort im vergangenen Jahr einen deutschen Pass bekommen haben: 13.323 waren es und damit fünf Prozent weniger als im Jahr zuvor.

Einbürgerung: Wohlwollende Unterstützung von ganz oben: Bundeskanzlerin Angela Merkel im Gespräch mit Auszubildenden im Berliner Stadtteil Kreuzberg.

Wohlwollende Unterstützung von ganz oben: Bundeskanzlerin Angela Merkel im Gespräch mit Auszubildenden im Berliner Stadtteil Kreuzberg.

(Foto: Foto: ddp)

Hessen steht damit noch vergleichsweise gut da, denn die Zahlen der zehn Bundesländer, die bisher eine Statistik vorgelegt haben, summieren sich auf ein Minus von rund 16 Prozent. Kein einziges Bundesland konnte 2008 einen Zuwachs verzeichnen. Im Juni wird das Statistische Bundesamt aller Voraussicht nach die bundesweit niedrigste Einbürgerungszahl seit zehn Jahren veröffentlichen.

Das ist eine bittere Bilanz für die Bundesregierung, ein klarer Rückschlag für eines ihrer zentralen politischen Ziele, nämlich die Zuwanderer in Deutschland besser zu integrieren. Dabei gilt die neue Staatsangehörigkeit als wichtiger Maßstab für den Erfolg, weil die Einbürgerung als Abschluss der Eingliederung in die deutsche Gesellschaft gilt - mit allen Rechten und Pflichten.

Allerdings darf bezweifelt werden, dass die Einbürgerungsfeier im Kanzleramt Zuwanderer bald scharenweise in die Ämter treibt. Denn viele Ausländer scheuen die Anforderungen für eine Einbürgerung, und die will Angela Merkel bislang nicht ändern.

Wer in diesen Tagen mit Beratern für Einbürgerungswillige spricht, bekommt immer wieder zwei Hinderungsgründe genannt: die Sprachanforderungen. Und die Pflicht für die meisten Bewerber, ihre alte Staatsangehörigkeit aufzugeben.

"Wenn man diese Punkte ändert, könnte sich die Zahl der Antragsteller verdoppeln oder verdreifachen", sagt Ali Güngör, Einbürgerungsberater der Arbeiterwohlfahrt in Nürnberg. Gerade dass die Bewerber nun einen schriftlichen Deutschtest zu bestehen hätten, hält viele ab.

Zweimal hat der Gesetzgeber in den vergangenen zehn Jahren die Sprachanforderungen verschärft: zunächst mit dem neuen Staatsangehörigkeitsrecht aus dem Jahr 2000, das "ausreichende Deutschkenntnisse" verlangte.

Allerdings blieb es den einzelnen Bundesländern überlassen, ob sie dafür einen eigenen Sprachtest fordern und der Bewerber auch Deutsch schreiben können muss. Wer eine deutsche Schule abgeschlossen oder mindestens vier Jahre besucht hat, muss keinen Nachweis bringen.

Mit der Neufassung des Zuwanderungsgesetzes im Sommer 2007 müssen Migranten ohne Schulabschluss - also vor allem Ältere - einen Sprachtest des Niveaus B1 bestehen. Das heißt, er muss sich auf einfache Weise und zusammenhängend über vertraute Dinge wie seine Arbeit oder seine Hobbys unterhalten können - als in gehobenem Touristendeutsch. Auch einfache Texte wie E-Mails an Behörden werden verlangt.

Hinzu kommt die Pflicht, den alten Pass abzugeben. Wer Deutscher werden will, kann nicht gleichzeitig Türke oder Serbe sein, so die Logik. Für EU-Staaten und andere westliche Länder gilt diese Regel hingegen nicht, Deutsch-Franzosen zum Beispiel können beide Pässe an der Grenze zücken.

Größere Probleme sind durch diese Doppelstaatler bisher nicht entstanden. Die Angabe des Passes dagegen kann für Türken ein Problem sein. Ihr Erbrecht in der Türkei ist als Ausländer beispielsweise eingeschränkt. Aber auch emotional hängen gerade Türken noch am alten Pass.

"Wenn sie Rentner werden, möchten viele wenigstens zeitweise in der Türkei leben und dann nicht als Ausländer in der eigenen Heimat gelten", sagt Güngör. Vor diesen behördlichen Beschränkungen war die Situation anders: Da erreichten die Einbürgerungszahlen einen Höhepunkt.

Junge Migranten, die seit 2000 automatisch den deutschen Pass bekommen, müssen sich darüber den Kopf zerbrechen, ob sie mit der Volljährigkeit Deutscher bleiben oder den Pass ihrer Eltern behalten wollen. Deutsch-Türken und andere Doppelstaatler haben fünf Jahre Zeit zu wählen - eine Entscheidung die für mehrere zehntausend Jugendliche in den kommenden Jahren ansteht.

"Die meisten beschäftigen sich noch gar nicht mit dieser Frage", sagt Kenan Araz, der in Bochum Migranten berät. Wer die Entscheidung verpennt, verliert automatisch den deutschen Pass - Einbürgerung rückwärts also.

Eine geringe Rolle bei den schrumpfenden Einbürgerungszahlen spielt dagegen der viel kritisierte Einbürgerungstest ("Ab welchem Alter ist man in Deutschland volljährig?") Ihn haben bisher mehr als 98 Prozent aller Bewerber bestanden.

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