Staatsbürgerschaftsrecht:Streitthema Einbürgerung: Kanzler stellt sich hinter Faeser

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Olaf Scholz 2017 bei einer Einbürgerungsfeier in Hamburg, wo er damals noch Erster Bürgermeister war. (Foto: Christian Charisius/DPA)

In der Debatte um Reformpläne der Innenministerin zum Staatsbürgerschaftsrecht scheint Olaf Scholz zu einem Machtwort bereit zu sein. Neben der Union hatte auch der Koalitionspartner FDP protestiert.

Von Markus Balser und Daniel Brössler, Berlin

Noch trägt das 39-seitige Papier aus dem Ressort von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nur den Stempel "Entwurf". Doch schon diese frühe Version einer Reform des Staatsbürgerschaftsrechts schlägt seit Bekanntwerden am Freitag hohe Wellen. Faeser hatte den Plan öffentlich gemacht, Einbürgerungen künftig zu beschleunigen, um die Integration von Migrantinnen und Migranten zu erleichtern.

Die ersten Reaktionen aber fielen heftig aus - und das nicht nur beim politischen Gegner. "Die deutsche Staatsbürgerschaft zu verramschen, fördert nicht die Integration", wetterte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Innenexperte Stefan Heck sprach von einer "inflationären Vergabe deutscher Pässe", die "enormen sozialen Sprengstoff" berge. Faeser müsse die Pläne stoppen, forderte er. Und selbst der Ampel-Partner FDP bügelte die Pläne ab. Es sei zu früh für eine so weitreichende Reform, warnte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Erst mal müssten Rückführungen schneller durchgesetzt werden, hieß es aus der FDP.

Fachleute loben den Reformentwurf

Damit hat nach der heftigen Auseinandersetzung um die Atomlaufzeiten ganz offensichtlich der nächste Streit innerhalb der Ampelkoalition begonnen. Dabei loben Fachleute wie DIW-Chef Marcel Fratzscher Faesers Pläne. Ohne eine solche Reform werde Deutschland weder sein Fachkräfteproblem lösen noch die Integration erleichtern, sagte Fratzscher. Ziel der Innenministerin ist es, für Zugewanderte, die schon einige Jahre in Deutschland leben und sich schnell integriert haben, auch schnellere Einbürgerungsmöglichkeiten zu schaffen.

Vor allem die generelle Frist, nach der Menschen mit Migrationshintergrund erst nach acht Jahren Aufenthalt in Deutschland zu Staatsbürgern werden können, hält Faeser für deutlich zu lang. Sie soll auf fünf Jahre sinken. Allerdings gilt das nur für Zugewanderte, die ausreichende Sprachkenntnisse besitzen, in der Regel ihren eigenen Lebensunterhalt bestreiten können, deren Identität geklärt ist und die sich während ihres Aufenthalts nichts zuschulden kommen ließen.

Sogar auf drei Jahre soll die Frist sinken können, wenn auch nur in Ausnahmefällen und bei "besonderen Integrationsleistungen". Die lägen etwa vor, wenn Einwanderer sich besonders engagiert haben, etwa durch schulische oder berufliche Leistungen, ehrenamtliches Engagement oder ausgesprochen gute Sprachkenntnisse. Vom "Verramschen der Staatsbürgerschaft" könne überhaupt keine Rede sein, hieß es entrüstet aus dem Innenministerium. Man schaffe lediglich mehr Anreize für eine raschere Integration.

Faeser selbst warnte inzwischen vor einer Debatte auf dem Rücken der Betroffenen. Es habe viele Menschen "tief verletzt", dass die Debatten um die Einbürgerung in der Vergangenheit häufig von "Stimmungsmache" geprägt gewesen seien, schrieb sie in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel. Das werde einem modernen Einwanderungsland nicht gerecht. Tatsächlich sollen etwa die von der Union kritisierten Erleichterungen für Sprachnachweise nur für Senioren gelten, die älter als 67 Jahre sind. Für sie will Faeser die bisher verlangten formellen Sprachnachweise einer Prüfung streichen. Stattdessen soll künftig die "Fähigkeit zur mündlichen Verständigung" ausreichen. Auch der bislang geforderte Wissenstest über Deutschland soll für diese Gruppe entfallen.

Auch bei den Grünen wächst der Unmut über die FDP

So wolle man die besondere Lebensleistung der Gastarbeitergeneration würdigen, die einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung des Landes geleistet habe, heißt es in dem Entwurf. Auch Kinder gut integrierter Eltern sollen leichter deutsche Staatsbürger werden können - nämlich automatisch dann, wenn ein Elternteil bereits seit fünf Jahren "seinen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt" in Deutschland hat. Bislang war das erst nach acht Jahren der Fall.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will den Streit innerhalb der Koalition erkennbar nicht einfach laufen lassen. Schon in einem Videostatement schlug sich Scholz am Wochenende mit der Forderung nach einem besseren Einwanderungsrecht auf Faesers Seite. Am Montag legte er dann noch einmal nach. "Wer auf Dauer hier lebt und arbeitet, der soll auch wählen und gewählt werden können, der soll Teil unseres Landes sein, mit allen Rechten und Pflichten, die dazugehören", sagte Scholz bei einer Veranstaltung zu Deutschland als Einwanderungsland in Berlin. Dies müsse "völlig unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder religiösem Bekenntnis" gelten.

Der Kanzler verwies auf den Beitrag von Einwandererinnen und Einwanderern zum Wohlstand in Deutschland. Mehr als ein Viertel der Ärztinnen und Ärzte seien nicht in Deutschland geboren oder hätten ausländische Wurzeln. In der Pflege seien es sogar ein Drittel der Beschäftigten. Zwar gebe es auch Grenzen der Aufnahmefähigkeit, aber die Realität sei doch, dass Fachkräfte dringend benötigt würden. Die Zahl der offenen Stellen sei auf einem Höchststand. Daher werde das Kabinett am Mittwoch Eckpunkte zur Fachkräfte-Zuwanderung beschließen.

So solle künftig stärker auf Qualifikation und Berufserfahrung geachtet werden und "weniger auf Formalia". Eingeführt werden solle ein "transparentes, unbürokratisches" Punktesystem wie es in anderen Ländern längst üblich sei, kündigte Scholz an. Kritik an erleichterten Einwanderungsprozeduren wies Scholz zurück. So habe er nie verstanden, warum früher auf die Aufgabe der bisherigen Staatsbürgerschaft bestanden worden sei. Schließlich seien "Zugehörigkeit und Identität kein Nullsummenspiel".

Auch bei den Grünen wächst der Unmut über die FDP. Denn auf die meisten Punkte hatte sich die Ampelkoalition bereits in ihrem Koalitionsvertrag geeinigt, etwa auf die Mehrfachstaatsangehörigkeit und die auf fünf Jahre verkürzten Einbürgerungsfristen.

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Ziel der Reform ist laut Entwurf auch, die "Mehrstaatigkeit generell zuzulassen". Der alte Rechtsgrundsatz entspreche ohnehin schon länger nicht mehr der geltenden Praxis, heißt es in dem Papier zur Begründung. Seit mehr als 15 Jahren werde "fast durchgängig" mehr als die Hälfte der Einbürgerungen trotz einer weiteren Staatsangehörigkeit vollzogen.

In der FDP beginnt die harte Haltung gegen die Reform bereits zu bröckeln. "Die Union verkennt nach wie vor, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist", sagte Stephan Thomae, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion. Es sei schlicht falsch, dass das neue Staatsangehörigkeitsrecht keine Anreize zur Integration setze. Genau das Gegenteil sei der Fall.

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