Einbürgerung:Der Deutschmacher-Test

Die Fragebögen für Einbürgerungs-Bewerber sind tendenziell missgünstig und vorurteilsbeladen - vor allem zeigen sie, für wen hierzulande Ausländerpolitik gemacht wird: nicht für die Einwanderer, sondern für den deutschen Wähler.

Heribert Prantl

Bert Brecht, ohne den zu kennen man heute nicht Deutscher werden können soll, hat sich schon vor Jahrzehnten mit Einbürgerungstests beschäftigt, wie sie derzeit in Deutschland und Österreich heftig diskutiert werden.

Einbürgerung

Einbürgerungs-Fragebogen: Mal wieder ist der Ausländer Objekt polarisiernder Politik geworden.

(Foto: Foto: dpa)

Brecht schildert in einem schlichten Gedicht das Schicksal eines italienischen Gastwirts vor dem Einbürgerungsrichter in Los Angeles; er wirbt für eine humane Einbürgerungspraxis, die den potenziellen Neubürger dem Wort entsprechend behandelt: als Bürger, nicht als Gegner.

"Nach ernsthafter Vorbereitung, leider behindert durch seine Unkenntnis der neuen Sprache", so Brecht, sagt der Italiener auf die Testfrage, was denn das "8. Amendment" bedeute, zögernd: "1492". Die richtige Antwort wäre gewesen: Es handelt sich um den achten Zusatz zur US-Verfassung, der grausame Behandlung verbietet.

Da das Gesetz dem Bewerber die Kenntnis der Landessprache vorschreibt, wird er abgewiesen. So auch beim nächsten Versuch, drei Monate später, als er auf eine neue Frage wieder, laut und freundlich, "1492" erwidert. Als der dritte Versuch genauso verläuft, erkundigt sich der Richter, dem der Mann gefällt, danach, wie der lebe, und erfuhr: "schwer arbeitend" - und legte ihm deshalb die Frage vor: Wann wurde Amerika entdeckt?

Der Fragebogen ist eher für Siebengescheite als für Neubürger

Auf Grund der richtigen Antwort "1492" erhielt der Mann die Bürgerschaft. Er konnte zwar nur schlecht Englisch und kannte die US-Geschichte kaum, aber er hatte halt andere Vorzüge: Er arbeitete bis zum Umfallen und war ordentlicher Familienvater.

Das Brecht-Gedicht heißt "Der demokratische Richter", und der Mann der Justiz ist die Verkörperung des guten Geistes einer Einwanderungsgesellschaft. Von diesem guten Geist würde man gern ein wenig mehr haben wollen in der deutschen Debatte über Einbürgerung und Integration.

Der Stuttgarter Gesprächsleitfaden, mit dem Einbürgerungs-Bewerber getestet werden, ist tendenziell missgünstig und vorurteilsbeladen; und der hessische Fragebogen ist eher etwas für Siebengescheite als für Neubürger.

Beide Fragebögen zeigen eine gewisse Freude daran, den Bewerber zu zwiebeln, beide sind ein neues Exempel dafür, für wen hierzulande Ausländerpolitik gemacht wird: Nicht für die Einwanderer, sondern für die deutschen Wählerinnen und Wähler. Die Altbürger waren und sind die Adressaten der Ausländerpolitik - und die Art und Weise, wie in den letzten Wochen vor drei wichtigen Landtagswahlen die Probleme der Einbürgerung zum heißen Wahlkampfthema gemacht wurden, ist ein neuer Beweis dafür.

Der Ausländer als Objekt polarisierender Politik ist in der Bundesrepublik seit jeher wichtiger als der Ausländer als Subjekt der Integration. Deutsche Ausländerpolitik ist eine Politik, in der sich über Gebühr viel um innere Sicherheit dreht.

Aber nicht einmal dafür taugen die bisherigen Fragebögen: Fundamentalistische Islamisten, die niemand als Staatsbürger haben will, sind meist gut ausgebildet; es wird ihnen nicht schwer fallen, den Test zu absolvieren. Aber die Ayse und der Abdelhamid, die einen Sprachtest gerade noch bestehen, werden Mühe haben zu lernen, mit wem Paul Celan Briefwechsel pflegte.

Kurz: Man kann von einem Einbürgerungsbewerber nicht mehr verlangen als von einem durchschnittlichen deutschen Hauptschulabgänger. Dem iranischen Kaufmann, dessen Englisch und Deutsch für sein Geschäft ausreicht, der sich um seinen Laden kümmert und um seine Familie und sonst um nichts, wird es bei den Tests ergehen wie dem Gastwirt bei Brecht: Er wird keine Zeit für den Integrationskurs haben, weil er hart arbeitet.

Staatsbürgerschaftspolitik sollte auf die Einladung hinauslaufen, Deutscher zu werden und sich dafür anzustrengen; tatsächlich aber funktioniert sie wie eine Ausladung. Man hält sich die Leute mit ausgestrecktem Arm vom deutschen Leib.

Zur Integration der Ausländer findet man so nicht

Man grenzt vor allem Muslime aus unter dem Vorwand, sie müssten erstens wissen, wie der Bundesrat funktioniert und sie müssten zweitens knutschende Männer als Ausdruck deutscher Toleranzkultur achten. Es ist schon bemerkenswert: Wenn es darum geht, Ausländer auszugrenzen, dann gibt es auf einmal bisher unerkannte Verteidiger von Schwulen und Lesben, von Emanzipation und Frauenrechten.

Die deutsche Einbürgerungsdebatte ist vor allem eine Selbstfindungsdebatte. Zur Integration der Ausländer findet man so nicht. Eine gute Integrationspolitik sollte alle Energie auf das Erlernen der deutschen Sprache richten. Sprache ist das A und O der Integration; sie öffnet den Zugang zur neuen Heimat.

Die Mittel für die (schlecht funktionierenden) Integrationskurse (derzeit 208 Millionen Euro, davon wegen großer Probleme nur 89 Millionen ausgegeben) sollten primär für die Sprachförderung zumal von Kindern ausgegeben werden. Integration ist Sprache plus Phantasie.

Aus Wien gibt es ein wunderbares Beispiel dafür: Als dort Deutschkurse für türkische Frauen angeboten wurden, haben die Männer ihre Frauen nicht hingehen lassen (weil Deutschkenntnisse die Frauen unabhängiger gemacht hätten). Was hat man in Wien gemacht? Nähkurse für türkische Frauen angeboten. Da durften sie hin. Aus dem Nähkurs wurde der beste Deutschkurs, den es gibt.

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