Einbrüche für den Dschihad:Radikale Dilettanten

  • Acht mutmaßliche Islamisten aus Köln und Siegen wird von der Kölner Staatsanwaltschaft die Vorbereitung einer staatsgefährdenden Straftat und bandenmäßiger Diebstahl vorgeworfen.
  • Die Männer sollen für insgesamt neun Einbrüche und Einbruchsversuche verantwortlich sein, unter anderem in zwei Schulen und zwei Kirchen.
  • Die Anklageschrift offenbart eine Mischung aus radikalem Gedankengut und dilettantischer Kleinkriminalität.

Von Lena Kampf und Andreas Spinrath, Köln

Für ihren Gott stehlen Mustapha A. und seine Freunde Briefmarken aus einem Schultresor und 100 Euro aus dem Opferstock einer katholischen Kirche. Den Kirchentresor hingegen, mit wertvollen liturgischen Gegenständen darin, kriegen sie nicht auf. Und ein Einbruch in das Hotelzimmer eines wohlhabenden Bekannten scheitert daran, dass die Männer nicht wissen, in welchem Hotel ihr Opfer wohnt.

In einer groß angelegten Razzia werden Mustapha A., die Brüder Kais, Lazhar, Sofien und Omar B. O., Anoaur J., Ali Ö. und Usman A. im November 2014 festgenommen. 240 Polizeibeamte waren im Einsatz, durchsuchten Wohnungen in vier Bundesländern. Einen "ganz erheblichen Sumpf" hätten die Ermittlungsbehörden an diesem Tag trockengelegt, sagte NRW-Verfassungsschutzchef Burkhard Freier damals.

Eine Mischung aus radikalem Gedankengut und dilettantischer Kleinkriminalität

Momentan prüft die Staatsschutzkammer am Landgericht Köln die Eröffnung des Verfahrens gegen die acht Islamisten aus Köln und Siegen, die Staatsanwaltschaft hat neun bandenmäßige Einbruchdiebstähle angeklagt, darunter vier Versuche. Die Vorbereitung staatsgefährdender Straftaten wirft sie den Männern außerdem vor - die Beute soll für den Dschihad bestimmt gewesen sein. Bei den Durchsuchungen waren islamische Rechtsgutachten und IS-Fahnen gefunden worden, die Angeschuldigten haben Kontakte zu bekannten Salafisten wie Pierre Vogel und Ibrahim Abou Nagie.

In der 400 Seiten langen Anklageschrift liest sich der große Schlag gegen die deutsche Terrorfinanzierung in Syrien und im Irak jedoch eher wie eine Mischung aus radikalem Gedankengut und dilettantischer Kleinkriminalität. Monatelang hatten Verfassungsschutz und die Polizei Köln, Ermittlungsgruppe "Reise", insgesamt 44 Personen aus der salafistischen Szene beobachtet und verdeckt abgehört.

Und wenn die Behörden live dabei sind, liest sich das zum Beispiel so: "Junge, wir haben das Schätzchen gefunden und begeben uns direkt an die Arbeit", gibt Mustapha A. dem an der Tür Schmiere stehenden Freund J. per Telefon durch, als sie im Januar 2014 in ein Gymnasium in Siegen einbrechen. Im Hintergrund seien "wiederholt Hämmer- und Flexgeräusche" zu hören, notieren die Abhörer vom Geheimdienst. Sie wohnen dem Aufbrechen des Schultresors bei.

Der Grad der Konspiration ist gering: Man verabredet sich zum "Essen gehen"

Die Einbrüche, meist "Quickies" genannt, begehen die Männer spontan, der Grad der Konspiration ist gering: Man verabredet sich zum "Essen gehen", spricht von "Überraschungseiern", die man öffnen will. Während des Kölner Karnevals laufen zwei der Angeschuldigten mit Geistermasken in den Personalbereich eines Netto-Markts, um dort Wertsachen und Kaffee mitgehen zu lassen, lösen jedoch den Alarm aus. Mit einer gestohlenen EC-Karte gehen sie ausgerechnet in einem Supermarkt einkaufen, in dem die Ehefrau eines der Angeschuldigten arbeitet. Höchstens 15 000 Euro erbeuten die Männer, sagt ein Sprecher des Landgerichts.

"Wir müssen gucken, wie die Gelder runterkommen. Wie die dreckigen Kuffar unten abgeschlachtet werden. Das ist unsere Pflicht, dass ihnen die Kehle da unten durchgeschnitten wird", sagt der Angeschuldigte Kais B.O., in einem Telefonat. Kuffar ist das islamische Wort für Ungläubige. Gegen ihn ermittelt momentan noch der Generalbundesanwalt, ebenso gegen einen Kontaktmann der Gruppe: Mirza Tamoor B. aus Bergisch-Gladbach soll der Terrorgruppe "Ahrar al-Sham" Geld und einen Krankenwagen gespendet haben.

Auch Mustapha A. redet vom "klaren Gebot im Islam, den bewaffneten Kampf zu unterstützen". Unter seinem Kampfnamen Assadullah al-Almani soll er ein Video bei Youtube hochgeladen haben, das er "Bis der Kopf fliegt" genannt hat. "Wir sollten uns schämen, dass wir noch hier wie dreckige Heuchler sitzen zwischen den Ungläubigen", heißt es darin. Zwei Wochen soll A. selbst in Syrien verbracht und dort eine militärische Ausbildung erhalten haben. Kurz vor Weihnachten 2013 ist er zurück in Deutschland. Wenig später vertraut er seiner Schwester an, er bedaure es, überhaupt zurückgekommen zu sein: "Das war mein größter Fehler."

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