Süddeutsche Zeitung

Ein- und Auswanderung:Israel empfängt Äthiopiens letzte Juden

Die letzten 450 Juden aus Äthiopien sind in Israel eingewandert. Manche sprechen von einem historischen Moment. Doch nicht bei allen von ihnen dürfte die Freude so ausgelassen sein. Denn in Israel haben die "Beta Israel" zum Teil noch immer unter Diskriminierung zu leiden.

Nach fast drei Jahrzehnten hat Israel die organisierte Einwanderung äthiopischer Juden beendet. Am Mittwoch landeten die beiden letzten Flugzeuge der Aktion Taubenflügel mit 450 "Beta Israel", wie sie sich selber nennen, auf dem Flughafen Tel Aviv, dort wurden sie feierlich empfangen. Der Vorsitzende der für Immigration zuständigen Jewish Agency, Nathan Scharanski, sprach von einem "bewegenden historischen Moment". Er hatte die Einwanderer auf dem Flug begleitet.

Zukünftig sollen Äthiopier, die ein "Recht auf Rückkehr" als Juden geltend machen, nur noch individuell einen Aufnahmeantrag in Israel stellen dürfen. Im Rahmen des letzten großen Einsatzes kamen in den vergangenen drei Jahren etwa 7000 Äthiopier nach Israel. Insgesamt hat Israel nach Informationen der Jewish Agency seit der Staatsgründung 1948 mehr als 90.000 Einwanderer aus Äthiopien aufgenommen. Manche Rabbiner sehen die "Beta Israel" als Nachfahren des vor Jahrtausenden verlorenen jüdischen Stamms Dan an.

Begonnen hatte die Aktion (während der Hungerkatastrophe in Äthiopien unter Diktator Mengistu Haile Mariam) mit den großen Operationen Moses 1984, Joschua 1985 und Salomon bis 1992. Danach kam es zu einem langen Stillstand, weil in Israel darüber gestritten wurde, ob auch die Falascha Mura, die ebenfalls zu den Beta Israel gehören, ein Recht auf die israelische Nationalität erhalten sollten. Denn bei vielen handelt es sich um Juden, die im 18. und 19. Jahrhundert zwangsweise zum Christentum bekehrt worden waren, aber an ihren jüdischen Riten festhielten.

Bei einigen Beta Israel wird das Judentum jedoch in Frage gestellt und sie müssen in Israel konvertieren. Manche ultraorthodoxe Rabbis erkennen die Gruppe bis heute nicht als Juden an. Etwa 500 Demonstranten traten am Mittwoch vor dem Amtssitz des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu lautstark dafür ein, die Luftbrücke für mehr als 5000 weitere Äthiopier aufrechtzuerhalten, die keine Anerkennung als praktizierende Juden erhalten hatten.

Die in Göttingen ansässige Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) zog anlässlich des Endes der Aktion Taubenflügel eine kritische Bilanz der Übersiedlung jüdischer Falascha und forderte ihre bessere Integration. "Weil Vorurteile und mangelnde Ausbildung die Integration der Einwanderer behinderten, sind die jahrzehntelangen Umsiedlungen kein Erfolgsprogramm", kritisierte die GfbV. Viele dieser Migranten lebten in Ghettos oder illegalen Siedlungen und fühlten sich als Menschen zweiter Klasse.

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sueddeutsche.de/AFP/dpa/schma/lala/fzg
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