Ein Jahr Schwarz-Gelb:Konflikte? Welche Konflikte?

Der erste Jahrestag der schwarz-gelben Koalition steht kurz bevor. Mittlerweile sind Meinungsverschiedenheiten in der Bundesregierung Chefsache - und werden deshalb ignoriert. Wo soll das noch hinführen?

Nico Fried

Angela Merkel hat eine neue Art, mit Konflikten in der Koalition umzugehen. Sie sagt einfach, es gebe sie nicht. Die FDP, angeführt von Guido Westerwelle, tobte drei Tage lang wegen Merkels europäischer Stabilitätspolitik, aber die Kanzlerin erzählt, sie sei mit dem Vizekanzler völlig einig. Horst Seehofer stellt die Rente mit 67 in Frage, die Merkel auch in den eigenen Reihen hart verteidigen muss; trotzdem lässt die Kanzlerin ausrichten, sie stimme mit ihm überein, dass ältere Menschen Arbeit finden müssten. Der CSU-Chef will auch ganze Kulturkreise aus Deutschland fernhalten. Merkel jedoch sagt, er habe das anders gemeint - und deshalb sei man weiter ein Herz und eine Seele.

Ein Jahr schwarz-gelbe Koalition

Beim Start der gemeinsamen Regierungsarbeit hatten sie Vertrauen zelebriert - das jedoch offensichtlich nicht existiert: Kanzlerin Angela Merkel, der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle (l.) CSU-Chef Horst Seehofer

(Foto: dapd)

Wo soll das noch hinführen? Wenn die FDP drei neue Ministerposten fordert - wird die Kanzlerin dann sagen, auch sie wolle das Kabinett stärken? Wenn Seehofer die Uckermark zu einer finnischen Provinz erklärt - wird Merkel sagen, sie und ihn verbinde der europäische Gedanke? Und wenn der CSU-Chef übermorgen behauptet, Kartoffelbrei werde aus Erbsen gemacht - wird Merkel dann sagen: Hauptsache Gemüse?

Der erste schwarz-gelbe Jahrestag steht bevor. Und wie bei dieser Koalition nicht anders zu erwarten ist, wollen ihn alle drei Parteichefs gemeinsam begehen. Nur jeder anders. Merkel möchte die Kanzlerin einer Regierung sein, die aus den Fehlern des Anfangs gelernt hat und jetzt nur noch eine Richtung kennt: vorwärts. Westerwelle muss nach diesem ersten Jahr nicht nur den Nachweis führen, dass es die FDP noch gibt, sondern auch, dass man sie noch braucht. Deshalb: seitwärts. Und Horst Seehofer bleibt halt Horst Seehofer: zur Not rückwärts.

Macht eure Arbeit und hört endlich auf mit der Streiterei

Die CDU-Vorsitzende Merkel hat auf den Regionalkonferenzen ihrer Partei vor allem eine Botschaft zu hören bekommen: Macht eure Arbeit und hört endlich auf mit der Streiterei. Das hat sie zugesagt, auch weil Merkel den Christdemokraten in den Landtagswahlkämpfen keinen Anlass geben will, drohende Niederlagen auf die Kanzlerin abzuwälzen. Der FDP-Chef hingegen muss erkennen, dass Schwarz-Gelb in keinem Bundesland, in dem 2011 gewählt wird, derzeit eine realistische Chance hat, nicht einmal in Baden-Württemberg, das CDU und FDP gleichermaßen als Stammland verstehen. Retten, was zu retten ist, kann für die FDP deshalb nur heißen, am Ende nicht ganz abzustürzen.

Doch es sind nicht nur gegensätzliche Interessen, die das Führungspersonal trennen. Rot-Grün stand nach dem ersten Jahr kaum besser da, als Schwarz-Gelb heute. Aber Gerhard Schröder und Joschka Fischer war es gelungen, zumindest den Eindruck zu erwecken, dass im Zweifel die zwei ganz oben den Laden zusammenhalten. Sie haben so etwas wie Vertrauen aufgebaut, das es vorher nicht gab. Bei Merkel und Westerwelle ist es umgekehrt: Sie haben vorher Vertrauen zelebriert, von dem sich nun herausstellt, dass es gar nicht existiert. Von Horst Seehofer ganz zu schweigen.

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