Ein Jahr Pegida:Die Stadt zurückerobern

Ein Jahr Pegida: Pegida-Demonstranten in Dresden.

Pegida-Demonstranten in Dresden.

(Foto: AP)

Der Geburtstag ist vorbei - aber die Demos werden weitergehen. Für alle, die Pegida nicht unterstützen, darf es jetzt kein Ducken mehr geben.

Ein Kommentar von Cornelius Pollmer, Dresden

Die Geburtstagsparty ist vorbei, und über den kleinen Pegida lassen sich nun Dinge sagen wie über viele andere Einjährige auch: Mensch, ist der groß geworden. Puh, der schreit aber ganz schön laut. Ach, manchmal raubt er uns wirklich den letzten Nerv.

Lange ist man nicht mehr auf einer so bedrückenden Feier gewesen. Es war nicht das erste Mal, dass an einem Montag in Dresden Steine und Böller flogen, dass Journalisten bepöbelt wurden, dass es Hatz und Geschrei gab an jeder zweiten Ecke der Innenstadt. Gerade weil es nicht das erste Mal war, lässt sich aus der Bedrückung nach dem Geburtstag eine Erkenntnis ableiten: Man wird sich nicht daran gewöhnen. Und man sollte es auch nicht.

Man wird sich nicht mehr an die aufwiegelnden Reden auf der Pegida-Bühne gewöhnen, nicht an geladene Luft in der Stadt, nicht an das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Demonstranten und Polizei oder die darauf verlässlich folgende Runde Schwarzer Peter. An deren Ende kommt in der Öffentlichkeit meist an: Rechte gewaltbereit, Linke Chaoten, Polizei unfähig. Öffentlichkeit meint in diesem Zusammenhang übrigens all jene, die nicht selbst dabei waren.

Man sollte sich auch nicht an Abende wie diesen gewöhnen. Auf einer der Gegendemonstrationen rief eine Frau am Montag ins Megaphon, die lieben Dresdner mögen doch endlich wieder auf die Straßen gehen und diese zurückerobern. Die Logik dahinter ist plausibel: Solange das Feld den Pegidisten überlassen wird, sind die es auch, die mit ihrer Art und Weise des Protests das Bild einer gesamten Stadt bestimmen.

Für wen die Stadt Dresden mehr ist als nur eine Adresse im Personalausweis, für den kann es jetzt kein Ducken mehr geben. Niemand muss zu Pegida gehen, niemand muss sich dem schwarzen Block auf der anderen Seite anschließen. Aber solange es keinen breiten, bürgerlichen, besonnenen Protest dazwischen gibt, werden es die Ränder bleiben, die das öffentliche Leben in der Stadt bestimmen, mindestens montags.

Es gibt für ein paar Hunderttausend Dresdner viele Rückfallpositionen, viele vermeintlich gute Gründe, montags zu Hause zu bleiben: Geht mich nichts an; da sind doch nur Verrückte; kann leider nicht, hab' für den Abend Theaterkarten. Es gibt aber auch ein Gegenargument, das größer ist. Wer auch nur ein paar Gramm Gemeinsinn in sich trägt, der sollte sich sichtbar machen - und sich endlich seine Stadt zurückerobern.

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