Ein Jahr nach Charlottesville:Amerikas zersplitterte Rechte

Charlottesville - ein Jahr danach

Charlottesville vor einem Jahr: Rechtsextreme und Gegendemonstranten bekämpfen sich.

(Foto: dpa)
  • Die rechte Szene in den USA ist ein Jahr nach den Protesten in Charlottesville, bei denen eine Frau getötet wurde, zersplittert.
  • Selbst rechte Größen wie Richard Spencer finden kaum noch Unterstützung.
  • Die Jahres-Demo am Sonntag in Washington könnte deshalb zum Flop werden.

Von Thorsten Denkler, New York

Jason Kessler hatte große Pläne für diesen Sonntag in Washington. Vor einem Jahr hat er den Aufmarsch rechtsradikaler Gruppen in seiner Heimatstadt Charlottesville in Virginia organisiert. "Unite the Right", war damals das Motto, "Vereinigt die Rechte". In Washington soll es jetzt einen "Unite the Right 2"-Marsch geben. Noch größer, noch gewaltiger. Doch anders als 2017 scheint sich diesmal kaum jemand beteiligen zu wollen.

Kessler wollte den Marsch eigentlich wieder in Charlottesville abhalten. Er hat dafür wegen der Ereignisse vor einem Jahr keine Erlaubnis bekommen. Für die Demonstration am Ausweichort Washington hat Kessler jetzt gerade mal 400 Personen angemeldet. Es gibt Zweifel, ob es so viele werden. Ein Jahr nach den Ereignissen von Charlottesville ist die rechte Bewegung in den USA schwächer als zuvor.

Ein Blick zurück: Im August 2017 versammeln sich auf Kesslers Initiative mehrere tausend Rechtsextreme verschiedenster Strömungen in der 50 000-Einwohner-Stadt zweieinhalb Autostunden südwestlich von Washington. Es ist seit langem der größte Aufmarsch dieser Art in den Vereinigten Staaten. Die Teilnehmer schwenken Hakenkreuz- und Konföderiertenflaggen. Manche tragen halbautomatische Waffen und haben sich gewappnet, als zögen sie in einen Krieg.

Die Stimmung ist aufgeheizt. Gegendemonstranten wollen den Aufmarsch der Rechten verhindern. Es kommt zu Gewalt, 30 Menschen werden verletzt. "Unite the Right" wird für gesetzeswidrig erklärt. Und dann lenkt ein Mann mit Verbindungen zu rechten Gruppen seinen Wagen in eine Menge von Gegendemonstranten. Er tötet die 32 Jahre alte Heather Heyer und verletzt 19 Menschen.

Präsident Donald Trump schafft es danach nicht, die rechte Gewalt deutlich zu verurteilen. Er spricht nur allgemein von Hass und Gewalt auf "vielen Seiten". Es gebe "sehr feine Menschen auf beiden Seiten". Die Rechte feiert das als ihren Sieg.

Die Ereignisse um und nach Charlottesville haben viele Amerikaner geschockt zurückgelassen. Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut in den USA. Das Leugnen des Holocaust ist keine Straftat. Aber Menschen umzubringen in einem Akt "rechten Terrors", wie der den Rechten durchaus nahestehende Justizminister Jeff Sessions die Tat beschreibt, geht zu weit.

Der Versuch von Jason Kessler, die Rechte zu einen, ist mit Charlottesville vorerst gescheitert. Vor einem Jahr waren sie noch alle dabei. Richard Spencer etwa, der schillernde Vordenker. Oder der radikale Podcaster Christopher Cantwell. Sie und viele andere haben sich inzwischen öffentlich von "Unite the Right" distanziert.

Spencer hat zuletzt auf Twitter seinen 78 000 Followern erklärt, er werde nicht an "Unite the Right 2" teilnehmen. Und empfiehlt das auch allen anderen. Eine Veranstaltung wie diese ergebe zum jetzigen Zeitpunkt "keinen Sinn", schreibt er. Er wisse nicht, was passieren werde. Aber es werde wahrscheinlich nichts Gutes sein.

Gewalt passt nicht zur bürgerlichen Fassade mancher Rechter

Offenbar befürchtet er, dass es zu neuer Gewalt kommen könnte. Aus seiner Sicht wäre das nicht gut für die Bewegung. Spencer, der einen nordamerikanischen Staat nur für Weiße europäischer Prägung aufbauen will, tritt oft in Anzug mit Krawatte auf. Die bürgerliche Fassade soll helfen, seine rechten Thesen leichter verdaulich zu machen.

Jason Kessler gefällt Spencers Absage natürlich nicht. In einem angeblich geleakten Post aus einer geschlossenen Facebook-Gruppe schreibt dieser Mitte Juni, wenn die Demo am Sonntag ein Erfolg werde, sei es an der Zeit, "die Skalps der Saboteure unserer Bewegung" zu sammeln.

Charlottesville gilt inzwischen als die Wendemarke für die rechte Bewegung in den USA. Zuvor schienen sie eine neue, unüberhörbare Kraft werden zu können. Sie haben sich früh an die Seite von Donald Trump gestellt. Er wurde dann auch ihr Präsident.

Es wächst auch der Widerstand

Es war aber klar, dass die vielen Gruppen vereinzelt kaum etwas würden bewegen können. Charlottesville sollte der Auftakt zu einer neuen, einer vereinigten Rechten werden. Stattdessen wurde Charlottesville "der Auftakt zu einer weiteren Zersplitterung" der Rechten, findet Heidi Beirich vom Southern Poverty Law Center (SPLC), einer Organisation, die unter anderem Hass-Gruppen aufspürt und dokumentiert.

Diese Diagnose bedeute aber nicht, dass die rechte Gefahr in den USA gebannt sei, sagt Beirich. Zum einem ist es die Trump-Regierung selbst, die durchsetzt ist mit Anhängern hartrechter Ideologien. Die Art und Weise wie etwa Justizminister Jeff Sessions oder Trumps Berater für Einwanderungsfragen, Stephen Miller, Immigranten das Leben schwer machen, dürfte in vielen rechten Gruppen großen Beifall ernten.

Für Beirich ist außerdem erwiesen, dass die Trump-Regierung den Nährboden für das Anwachsen rechter Ressentiments bereitet. Insbesondere nach Charlottesville, aber auch zu einigen anderen Gelegenheiten, spiegele Trump das wider, was weiße Rechte sehen wollen, sagt sie: ein Land, in dem Rassismus selbst in den höchsten Ämtern nicht mehr verurteilt wird.

Trump zieht nicht selten über Schwarze her. Basketball-Superstar LeBron James sei "gerade vom dümmsten Mann im Fernsehen interviewt worden, Don Lemon", schrieb der US-Präsident kürzlich auf Twitter. CNN-Moderator Lemon ist ebenfalls schwarz. Der habe "Lebron smart aussehen lassen, was nicht leicht ist." Den Namen LeBron James schreibt Trump durchgängig falsch, mit kleinem b. Ein anderes Mal bezeichnete er einige afrikanische Staaten als "shithole countries", als Drecksländer. Immigranten aus Mexiko nennt Trump potentielle Vergewaltiger und Verbrecher.

Mit solchen Sprüchen macht der Präsident den Hass salonfähig, findet Beirich. Sie seien ein wesentlicher Grund, weshalb die Zahl der rechten Gruppen steige. Die jüngste "Hate-Map" ihrer Organisation weist für das vergangene Jahr 954 Hass-Gruppen in den Vereinigten Staaten aus, eine Steigerung von 20 Prozent gegenüber dem Jahr 2014. Die Art der Gruppen reicht von klassischen Neonazis über Antisemiten bis hin zu homophoben Vereinigungen.

Allerdings wächst auch der Widerstand. Für Sonntag etwa werden in Washington Tausende Gegendemonstranten erwartet. Und selbst bekannte Rechtsextreme wie Richard Spencer bekommen nicht mehr ohne weiteres eine Bühne. Im März musste er seine College-Tour abbrechen. Er wollte seine kruden Thesen den jungen Leuten präsentieren. Jeder Auftritt wurde zu einer Machtprobe zwischen ihm und Gegendemonstranten. Er beendete die Tour im März mit dem Eingeständnis: "Die Antifa hat gewonnen."

Spencer gehörte auch zu denen, die sich derzeit wegen der Vorfälle in Charlottesville vor einem Jahr vor Gericht verantworten mussten. Er fand über Monate in ganz Virginia keinen Anwalt, der ihn vertreten wollte.

Jüngst ist ihm noch die Crowdfundig-Plattform weggebrochen, über die er die geschätzten 25 000 Dollar Prozesskosten finanzieren wollte. "Freestartr" heißt das von bekannten Rechten gegründete Projekt, angeblich, um "freie Meinungsäußerung" in den USA zu unterstützen. Mitte Juli haben die Bezahldienste Stripe und PayPal der Plattform "Freestartr" und anderen rechten Seiten wie "Red Ice" ihre Dienste entzogen.

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