Ein Bild und seine Geschichte:Bomben auf Dutch Harbor - die vergessene Schlacht

Aleutian Base

Das Wohnschiff SS Northwestern, ein alter Dampfer, in dem Soldaten untergebracht sind, raucht noch, nachdem es von einer japanischen Bombe getroffen wurde.

(Foto: Getty Images)

1942 bombardiert Japan einen Hafen in Alaska und besetzt amerikanische Inseln - zur Freude von Hitler-Deutschland.

Von Simon Conrad

Der erste Angriff der Japaner beginnt am frühen Morgen des 3. Juni 1942. Mehr als dreißig japanische Flugzeuge heben von Flugzeugträgern ab, die im Nordpazifik kreuzen. Die Piloten nehmen Kurs auf Dutch Harbor, einem kleinen Hafen, der sich halb auf Unalaska und halb auf Amaknak befindet, zwei Eilande im Zentrum der Aleuten. Die Inselkette zwischen Nordamerika und Asien am Südrand des Beringmeers gehört zu Alaska, dem nördlichsten Bundestaat der USA.

Ein halbes Jahr ist es damals her, dass Tokio den US-Flottenstützpunkt Peal Harbor bombardieren ließ und damit die Vereinigten Staaten in den Zweiten Weltkrieg zwang. Gegen das Inferno auf Hawaii fällt der Militärschlag im hohen Norden recht klein aus.

Keine halbe Stunde dauert die erste Attacke unter der Führung von Admiral Kakuji Kakuta; 23 amerikanische Soldaten kommen ums Leben, 25 weitere werden verletzt.

Zwar sind die amerikanischen Einheiten auf dem Stützpunkt dank der Entschlüsselung der japanischen Kommunikation auf einen baldigen Angriff gefasst. Trotzdem erhalten sie keine explizite Warnung. Auch am 4. Juni erscheinen die Japaner noch einmal am Himmel, diesmal südlich von Dutch Harbor. Kriegsgerät, Tanklager, Handelsschiffe und Kasernenanlagen werden zerstört.

Die "Schlacht von Dutch Harbor" ist ein weitgehend vergessenes Stück Weltkriegsgeschichte - aber auch eins, das sich nicht ganz einfach erklären lässt. Der Angriff ist Teil einer japanischen Großoffensive: Japanische Streitkräfte greifen in kurzer Zeit alliierte Posten in Indien, Singapur und Australien an. Im Mittelpunkt steht für Tokio die Vormacht über den Pazifik - diese ist ein wichtiger Schritt zum Aufbau eines Großasiatischen Reiches unter japanischer Herrschaft. Die Aleuten sind eine weitere Station fernab vom japanischen Kernland.

Frohlocken in Hitler-Deutschland

Die Attacke in Alaska findet große Beachtung in Hitler-Deutschland. In der gleichgeschalteten Presse wird der Angriff des verbündeten Japans bejubelt. In der Ausgabe der Münchner Neuesten Nachrichten vom 5. Juni 1942 heißt es, die "kühne Unternehmung" zeuge "von der unvorstellbaren Reichweite der japanischen Waffen". Die japanische Kriegsführung sei "das Werk unheimlicher Energien und eines imperialen Geistes." Und: "Jedes von den Japanern neu versenkte oder schwer beschädigte feindliche Kriegsschiff ist eine Entlastung für unsere eigenen europäischen Seefronten."

Versuche, "Japans blitzartige Seestrategie" zu erklären, fallen den deutschen Kommentatoren aber sichtlich schwer. So vermuten die Münchner Neuesten Nachrichten, dass von den Aleuten tatsächlich Gefahr für das japanische Kaiserreich ausgehe. Am 6. Juni lautet die Theorie, der Angriff auf Dutch Harbor diene lediglich als Ablenkungsmanöver von anderen japanischen Angriffen.

Es folgt eine Mini-Invasion der Japaner. Die Soldaten des Tenno besetzen die Inseln Kiska und Attu, der Widerstand ist gering. Der Weltkrieg ist damit nicht nur aus der Luft, sondern auch auf dem Lande auf dem Territorium der Vereinigten Staaten von Amerika angekommen.

Zweiter Weltkrieg: Japanischer Bombenangriff auf Dutch Harbour

Luftaufnahme der Bucht von Dutch Harbor während des Zweiten Weltkriegs. Der Hafen liegt auf zwei Inseln, wo diese nur wenig Wasser trennt.

(Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)

Knapp eine Woche später mutmaßen die Münchner Neuesten Nachrichten, Dutch Harbor könne ein erste Etappe für einen späteren Angriff auf das amerikanische Festland sein. Letzteres kommentiert der US-General Simon Buckner Junior mit den Worten: "Sie (die Japaner) könnten es schaffen, aber erst ihre Enkelkinder würden (auf dem Festland) ankommen; bis dahin wären sie eh alle amerikanische Staatsbürger!"

Warum also die Angriffe auf Dutch Harbor, warum die Besetzung zweier Inseln? Der nordpazifische Außenposten der Amerikaner vor Alaska war militärisch weitgehend unbedeutend, die geografischen und klimatischen Bedingungen der Aleuten mitunter katastrophal. Vor allem im Juni erschwert der konstante Nebel die Navigation, Felsbuchten machen Seemanöver hochriskant. Die zwei gängigsten Erklärungsversuche für den Angriff laufen auf ein fehlgeschlagenes Ablenkungsmanöver von anderen pazifischen Kriegsschauplätzen oder eine fatale Fehleinschätzung der militärischen Bedeutung der Aleuten für das amerikanische Militär hinaus.

Tatsächlich greift die japanische Marine einen Tag später, am 4. Juni, amerikanische Stellungen auf den Midwayinseln im Zentralpazifik an. Die Verluste der Japaner sind verheerend. Statt US-Streitkräfte nach Alaska zu locken, verheddern sich die Japaner in ein militärisches Patt. Bei Midway fehlt es ihnen an militärischen Kapazitäten. Historiker sehen in der japanischen Niederlage bei Midway eine Wende zugunsten der Amerikaner im Kampf um die Vorherrschaft im Pazifik.

Das Schicksal der aleutischen Ureinwohner

Der Angriff auf Dutch Harbor und die Besetzung der beiden Inseln bleiben nicht ohne Folgen. Die folgende Schlacht um die Aleuten währt ein ganzes Jahr. Es ist ein Jahr des Krieges auf amerikanischem Gebiet, der enorme Energien kostet, am Ende zur Rückeroberung führt - und heute fast vergessen ist.

Neben mehr als 4000 Toten auf japanischer Seite und 1400 amerikanischen Toten leiden damals vor allem die aleutischen Ureinwohner unter den Kämpfen: Nach den japanischen Angriffen 1942 werden 881 Unangax von den westlichen Inseln von der US-Regierung in Lager in Südost-Alaska zwangsumgesiedelt, um nicht in japanische Hände zu fallen.

Ihre Häuser werden verbrannt, jeder Zehnte überlebt die katastrophalen Lagerbedingungen nicht. Erst 1988 werden die vergessenen Opfer dieses vergessenen Kriegsschauplatzes von der US-Regierung entschädigt.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusAlliierter Chefankläger Benjamin Ferencz
:"Im Krieg werden anständige Leute zu Massenmördern"

Während der Nürnberger Prozesse brachte Chefankläger Benjamin Ferencz SS-Verbrecher an den Galgen. Nun blickt der betagte Jurist zurück - und auf das Deutschland von heute.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: