Ginge es um Abschreckung, dann müssten die Hinrichtungen allerdings auch im Fernsehen gezeigt werden. Doch die letzte öffentliche Hinrichtung wurde 1937 in Versailles vollzogen. Le rasoir national, das Rasiermesser der Nation, wie die Guillotine im Volksmund hieß, enthauptete damals den deutschen Sechsfachmörder Eugen Weidmann. Allerdings artete das Ereignis zu einem Volksfest aus - und künftig wählte man lieber einen Ort hinter Gefängnismauern, an dem die Henker ihr Handwerk verrichteten.
Erst 1981, nach dem Wahlsieg des Sozialisten François Mitterand, schafft Frankreich die Todesstrafe auf Badinters Betreiben ab. Als letztes Land der Europäischen Gemeinschaft.
Damit endete eine schauerliche Tradition, die lange zurückreichte. Der abgetrennte Kopf des Feindes war seit Jahrtausenden eine Trophäe, ein Zeichen des Sieges. In Rom galt die Enthauptung als ehrenhaft und war Bürgern des Reiches vorbehalten. Im Mittelalter hatte nur der Adel das Recht auf den Tod durch das Schwert. Bereits im dem 12. Jahrhundert gab es vereinzelte Vorläufer des Fallbeils, doch noch lange war das Köpfen mit dem Schwert oder Beil üblich.
Obwohl das Köpfen, im Vergleich zum Vierteilen, Verbrennen, Kreuzigen, als humanste Exekutionsart galt, brauchten die Henker nicht selten mehrere Hiebe. Das änderte sich mit der Französischen Revolution 1789: Die von dem französischen Arzt Joseph-Ignace Guillotin erfundene Tötungsapparatur hatte den Zweck, die Verurteilten "schmerzfrei" vom Leben in den Tod zu befördern oder zumindest das Leiden auf eine Millisekunde zu verkürzen.
Gemeinsam mit dem Pariser Henker Charles-Henri Sanson konstruierte der deutschstämmige Klavierbauer Tobias Schmidt die Köpfmaschine, bei der eine abgeschrägte, sieben Kilo schwere Stahlklinge, beschwert mit weiteren 40 Kilo, die Halswirbelsäule des Todeskandidaten durchtrennt.
Unter dem Gleichheitsanspruch der Französischen Revolution wurde die Guillotine per Dekret der Nationalversammlung zur einzigen legitimen Hinrichtungsmethode. Als erster Mensch wurde der Straßenräuber Nicolas Pelletier am 25. April 1792 mit der Guillotine hingerichtet, wenig später König Ludwig XVI., seine Gemahlin Marie Antoinette - und, als die Revolution ihre Kinder fraß, auch die Revolutionäre Danton und Robespierre. Tausende wurden auf diese Weise getötet. So wurden im Paris der Schreckensherrschaft einmal 50 Hinrichtungen in 20 Minuten vollzogen, in Rennes über Weihnachten 90 Menschen guillotiniert.
Während der Hitler-Diktatur waren 30 Guillotinen im Einsatz
Guillotin selbst war, laut seinem Biographen, niemals anwesend und schämte sich zutiefst für den Missbrauch seiner Hinrichtungsmachine, unter der auch Freunde von ihm starben. Seine Kinder nahmen später einen anderen Namen an. Doch die industrialisierte Form des Tötens wurde Exportschlager der Französischen Revolution. Selbst der Henker im Vatikan setzte auf die Neuerung.
Im Zuge der napoleonischen Kriege kam sie auch in Deutschland zum Einsatz, obwohl hier eigentlich das Handbeil bevorzugt wurde. Noch in der Weimarer Republik wurde auch mit der Axt enthauptet. Erst unter den Nazis waren dann 30 Guillotinen im Einsatz. Mehr als zehntausend Menschen ließen die Faschisten auf diese Weise hinrichten, darunter auch Widerstandskämpfer wie Sophie und Hans Scholl.
In Westdeutschland tötete am 11. Mai 1949 das Fallbeil zum letzten Mal. Kurz darauf wurde die Todesstrafe in der Bundesrepublik mit der Verabschiedung des Grundgesetzes abgeschafft, obwohl sie - rechtlich wirkungslos - noch immer in der Hessischen Landesverfassung verankert ist. In der DDR hingegen wurde noch bis 1968 mit der "Fallschwertmaschine" exekutiert, so auch der KZ-Arzt Horst Fischer. 1981 zuletzt vollstreckt, wurde die Todesstrafe 1987 auch in Ostdeutschland abgeschafft.
Weltweit allerdings wurden laut Amnesty International vergangenes Jahr offiziell mindestens 1032 Menschen im staatlichen Auftrag hingerichtet, vor allem in Iran, Saudi-Arabien, Irak und Pakistan. In den USA starben 20 Menschen. In China waren es weit mehr, aber da ist die Anzahl der Hinrichtungen Staatsgeheimnis.
Das archaische Töten im Auftrag des Staates reicht also weiter bis in die Gegenwart. Nur die Guillotine, das blutige Symbol der Französischen Revolution, steht im Museum.