Referendum in der Türkei:Wahlkommission: Türken stimmen für Erdoğans Verfassungsreform

Lesezeit: 2 Min.

Präsident Erdoğan bei seinem Statement in Istanbul. (Foto: REUTERS)
  • Die türkische Wahlkommission hat die Befürworter der von Präsident Erdoğan geforderten Verfassungsreform zu den Siegern erklärt.
  • Mehr als 55 Millionen Türken waren zur Wahl aufgerufen.
  • Oppositionspolitiker sprechen von "Manipulation" und wollen die Wahl anfechten.

Die türkische Wahlkommission hat das Ja-Lager nach dem vorläufigen Abstimmungsergebnis zum Sieger des Referendums erklärt. Nach dem Resultat haben die Befürworter der von Präsident Recep Tayyip Erdoğan geforderten Verfassungsreform gewonnen, sagte Kommissionschef Sadi Güven in einer im Fernsehen übertragenen Erklärung.

Schon deutlich zuvor hatte Erdoğan von einem "Sieg" des Ja-Lagers gesprochen. Er begrüßte die "historische Entscheidung" der Wähler. "Mit dem Volk haben wir die wichtigste Reform in unserer Geschichte realisiert", sagte er in seiner Residenz in Istanbul. Er rief das Ausland auf, das Ergebnis zu respektieren. Auch Ministerpräsident Binali Yıldırım erklärte das Ja-Lager zum Sieger: "Das letzte Wort hat das Volk gesprochen. Es hat 'Ja' gesagt und einen Punkt gesetzt", sagte er in Ankara.

Erdoğan kündigte an, er werde umgehend Gespräche mit Ministerpräsident Yıldırım und der nationalistischen Opposition zur raschen Wiedereinführung der Todesstrafe aufzunehmen. Wenn er für die Einführung der Todesstrafe keine Mehrheit im Parlament erhalte, wäre ein weiteres Referendum möglich, sagte er.

Türkische Medien berichteten am späten Sonntagabend, dass 99 Prozent der Stimmen ausgezählt sind. Demnach habe der Großteil der Wahlberechtigten für die Verfassungsreform des türkischen Präsidenten gestimmt. Hürriyet Daily News zufolge liegen die Ja-Stimmen bei etwa 51,4 Prozent, die Nein-Stimmen bei 48,6 Prozent. Das entspricht einem Vorsprung von etwa 1,3 Millionen Stimmen.

Vor allem in den Großstädten liegen beide Lager eng beieinander. CNN Türk zufolge stimmten in Istanbul 51 Prozent für Nein, 49 Prozent für Ja, in der Hauptstadt Ankara liegen die Befürworter der Verfassungsreform bei 49,5 Prozent, die Gegner bie 50,5 Prozent. Umfragen hatten einen knappen Wahlausgang vorausgesagt.

Bilder vom Referendum
:Proteste in Istanbul, Jubel im Ja-Lager

Die Entscheidung ist gefallen - die Türkei hat für die Verfassungsreform gestimmt - und das Ergebnis spaltet das Land.

Opposition will das Ergebnis anfechten

Die beiden größten Oppositionsparteien sprechen von einer "Manipulation" des Referendums und kündigten an, das Ergebnis anzufechten. Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu sagte: "Dieses Referendum hat eine Wahrheit ans Licht gebracht: Mindestens 50 Prozent dieses Volkes hat dazu "Nein" gesagt", sagte der Chef der kemalistischen CHP in Ankara. Auch die pro-kurdische HDP kündigte ähnliche Schritte an. Die Wahlkommission verteidigte ihre Entscheidung, auch Stimmzettel ohne offiziellen Stempel zu akzeptieren. Dies sei nicht das erste Mal gewesen und vor allem sei dies nicht der Fehler der Wähler gewesen.

Plattform X

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von X Corp. angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von X Corp. angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Insgesamt waren 55,3 Millionen Wahlberechtigte in der Türkei zu der Volksabstimmung aufgerufen. Aus dem Ausland sollten 2,9 Millionen Türken ihre Stimme abgeben. Die Wahlbeteiligung lag den Medienberichten zufolge bei deutlich über 86 Prozent.

Das Präsidialsystem würde Erdoğan deutlich mehr Macht verleihen. Die Opposition warnt deshalb vor einer Ein-Mann-Herrschaft. Die Reform würde schrittweise bis zur ersten gemeinsamen Wahl von Parlament und Präsident umgesetzt, die für November 2019 geplant ist. Erst danach würde der Präsident nicht nur Staats-, sondern auch Regierungschef. Das Amt des Ministerpräsidenten, das derzeit von Erdoğans AKP-Parteifreund Yıldırım ausgeübt wird, würde dann entfallen.

© Süddeutsche.de/dpa/AFP/mane/cag/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Referendum in der Türkei
:Merkel: Erdoğan muss auf Gegner zugehen

Die Bundeskanzlerin verlangt vom türkischen Präsidenten Bereitschaft zum Dialog. Reaktionen auf den Ausgang des Referendums.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: