Tunesien:Tunesiens Ex-Herrscher Zine el Abidine Ben Ali ist tot

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Im November 2009 legte Zine al-Abidine Ben Ali in Tunis nochmals den Amtseid als Präsident ab. Im Januar 2011 flüchtete er mit seiner Familie aus dem Palast. (Foto: Zoubeir Souissi/Reuters)
  • Tunesiens Ex-Langzeitherrscher Zine el Abidine Ben Ali ist im saudischen Exil gestorben.
  • Ben Ali war der erste Herrscher, der im Zuge der arabischen Revolution 2011 gestürzt wurde.
  • Während die Zukunft Tunesiens vor der Stichwahl um das Präsidentenamt ungewisser denn je ist, schließt sich mit dem Tod des Diktators nun ein Kapitel der Vergangenheit.

Der frühere tunesische Langzeitherrscher Zine al-Abidine Ben Ali ist in seinem Exil in Saudi-Arabien gestorben. Das meldeten tunesische Medien am Donnerstag übereinstimmend unter Berufung auf Familienmitglieder des Ex-Diktators.

Ben Ali diente zunächst in mehreren Funktionen unter dem autoritären und streng säkular orientierten Staatsgründer Habib Bourgiba, von 1984 an als Innenminister, ab 1987 als Premier. In dieser Funktion ließ Ben Ali den alt gewordenen Bourgiba als senil erklären und absetzen. Entgegen seiner Ankündigung, das Land fortan demokratischer zu regieren, entwickelte sich Ben Ali zum Alleinherrscher - und regierte das Land bis 2011. Unter seiner Führung entstand eine florierende Tourismusindustrie und Tunesien konnte sich als Standort für Zulieferbetriebe der europäischen Autoindustrie bescheidenen Wohlstand erarbeiten - gleichzeitig unterdrückte Ben Ali jedoch sämtliche Opposition, besonders Bewegungen des politischen Islam wie die Muslimbrüder.

Nachdem sich im Dezember 2010 ein verzweifelter junger Mann in der tunesischen Provinzstadt Sidi Bouzid selbst verbrannt hatte, kam es auch in der Hauptstadt Tunis zu Massenprotesten, die sich zunächst gegen Behördenwillkür richteten, bald aber auch ein Ende der Diktatur forderten. Dass Ben Ali am 13. Januar verkündete, nicht mehr bei der damals für 2014 geplanten Wahl anzutreten, konnte die Stimmung nicht mehr drehen: Nur einen Tag später flüchtete er mit seiner Familie aus dem Land, angeblich mit 1,5 Tonnen Gold im Frachtraum der Präsidentenmaschine. Die tunesischen Bürger stürmten daraufhin seine Paläste und die der Familie Trabelsi, den in vielen Geschäftszweigen präsenten Verwandten von Ben Alis Ehefrau Leïla - und staunten über den Luxus, mit dem sich die korrupte Machtelite umgeben hatte. Bilder, die im arabischen Ausland aufmerksam verfolgt wurden.

Die tunesische Jasminrevolution fand schnell Nachahmer, auch in Libyen, Ägypten und Sudan stürzten bald die Diktatoren. Anders in Syrien und Bahrain; dort schlugen die Regimes mit Härte zurück.

Schon am Wahltag gab es Gerüchte, dass Ben Ali ins Koma gefallen sei

Seinen Lebensabend verbrachte der in der Küstenstadt Sousse geborene Sohn einer Mittelklassefamilie wieder in Meeresnähe - allerdings in der Hafenstadt in Saudi-Arabien. Von seinen Gastgebern streng abgeschottet von der Öffentlichkeit, aber auch unbehelligt von der Justiz. In Tunesien versuchte eine Wahrheits- und Versöhnungskommission die Verbrechen gegen Oppositionelle und Aktivisten der Zivilgesellschaft aufzuarbeiten, nach langen Anhörungen begannen im vergangenen Jahr die ersten Prozesse gegen Polizeibeamte und Mitarbeiter des Innenministeriums. Ben Ali, der Kopf des Regimes, befand sich jedoch außer Reichweite der Ermittler.

Die Nachricht vom Tod des Ex-Diktators trifft Tunesien in bewegten Zeiten. Am vergangenen Sonntag waren die Bürger des einzigen Staates, der nach dem sogenannten Arabischen Frühling den Übergang zur Demokratie meisterte, aufgerufen, zum zweiten Mal einen neuen Präsidenten an den Urnen zu bestimmen.

Nach Ben Ali hatte zunächst ein Übergangspräsident regiert, der dann erste regulär gewählte Amtsinhaber Beja Caïd Essebsi war im Juli mit 92 Jahren gestorben. Schon am Wahltag gab es Gerüchte, dass Ben Ali in eine Klinik eingeliefert und ins Koma gefallen sei. Der Partner seiner Tochter, ein amerikanisch-tunesischer Rapstar, bestätigte das auf seinen Kanälen in den sozialen Medien. Während die Zukunft Tunesiens ungewisser denn je ist - einer der beiden Kandidaten für die Stichwahl um das Präsidentenamt sitzt in Haft - schließt sich mit dem Tod des Diktators nun ein Kapitel der Vergangenheit. Ben Ali wurde 83 Jahre alt.

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