Umweltschutz:EU-Staaten einigen sich auf schärfere Abgas-Grenzwerte

  • Bei einem Treffen der EU-Umweltminister in Luxemburg hat sich Deutschland bei der Verhandlung über schärfere Abgasgrenzwerte quergestellt.
  • Letztlich gab es aber noch eine Eingung.
  • Wie Diplomaten am Dienstagabend in Luxemburg mitteilten, sollen die Emissionen von Neufahrzeugen bis 2030 um 35 Prozent im Vergleich zum Jahr 2020 gesenkt werden.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Der Kohlendioxid-Ausstoß von Neuwagen soll nach dem Willen der EU-Staaten von 2020 bis 2030 um 35 Prozent sinken. Diese gemeinsame Position beschlossen die EU-Umweltminister am späten Dienstagabend in Luxemburg vor den anstehenden Verhandlungen mit dem Europaparlament.

Der Beschluss fiel deutlich schärfer aus als ursprünglich von der Bundesregierung und von der deutschen Autoindustrie gewünscht. Einigen EU-Ländern ging er jedoch nicht weit genug, darunter Irland, Schweden, Dänemark, Frankreich und die Niederlande.

Die Minister hatten den ganzen Tag darüber verhandelt, wie stark der Ausstoß des Treibhausgases CO₂ bei Neuwagen in der EU im nächsten Jahrzehnt sinken muss. Ziel ist, die Klimaziele der Europäischen Union insgesamt zu erreichen und die Emissionen aus dem Straßenverkehr zu drücken. Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, dass der CO₂-Wert 2030 im Schnitt um 30 Prozent niedriger liegen soll als 2020. Dem schloss sich die Bundesregierung an, ebenso wie einige östliche EU-Staaten.

Viele andere Länder wollten jedoch eine Senkung um 40 Prozent oder mehr. Österreich, das derzeit den EU-Vorsitz führt, war mit dem Kompromissvorschlag von 35 Prozent Minderung in die Verhandlungen gegangen. Bei diesem Ziel blieb es letztlich, allerdings mit einigen Sonderklauseln. Das EU-Parlament fordert eine Kürzung um 20 Prozent bis 2025 und um 40 Prozent bis 2030. "Das ist das Ergebnis einer voll handlungsfähigen und lösungsorientierten Europäischen Union", sagte die österreichische Umweltministerin Elisabeth Köstinger.

Die Bundesregierung sorgt sich um die Arbeitsplätze

Am Morgen hatten sich etwa zwei Drittel der Staaten gegen Deutschland gestellt, wo besonders viele und besonders PS-starke Autos produziert werden. Die Bundesregierung sorgt sich um die Arbeitsplätze bei stärkeren Vorgaben für die Industrie. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) musste diese Haltung gegen ihre Überzeugung in Luxemburg vertreten. "Das fällt mir sehr schwer", sagte sie und verwies auf den Warnruf des Weltklimarats IPCC, der am Montag "schnelle, weitreichende und beispiellose Änderungen in allen gesellschaftlichen Bereichen" gefordert hatte, um die Pariser Klimaschutzziele noch erreichen zu können.

"Ich halte es auch industriepolitisch nicht für den besseren Weg", sagte Schulze. Sie habe sich aber im Kabinett nicht durchsetzen können. Offenbar erhielt Schulze am Ende aber ein Signal des Koalitionspartners, den 35-Prozent-Beschluss mittragen zu können. Die Einigung sei "deutlich schlechter" als der am Dienstagmorgen vorgelegte Kompromissvorschlag der österreichischen Ratspräsidentschaft, sagte der irische Vertreter. Er hoffe, dass nun in den Gesprächen mit dem EU-Parlament noch Nachbesserungen möglich seien. Auch die Niederlande erklärten, sie seien "nicht wirklich zufrieden". Gleichzeitig sei es aber schwierig gewesen, die unterschiedlichen Positionen zu überbrücken.

Am Nachmittag verständigten sich die Minister auf eine gemeinsame Position zum Klimatreffen im Dezember im polnischen Kattowitz. Die EU hat sich bisher verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um 40 Prozent zu reduzieren. Nach Ansicht vieler Staaten lässt sich das Ziel des Pariser Abkommens auf diese Weise nicht erreichen. Die EU fordert nun alle Pariser Vertragsparteien auf, über ihr "Ambitionsniveau" nachzudenken. Sie erklärt sich bereit, ihren eigenen Beitrag "im Jahr 2020 mitzuteilen oder zu aktualisieren".

Das lässt offen, ob das Reduktionsziel erhöht wird. Deutschland und Frankreich hatten im Sommer einen ehrgeizigeren Ansatz vereinbart, der neue Verpflichtungen der EU vorsah. Die niederländische Regierung wurde am Dienstag gerichtlich zur Erfüllung strengerer Klimaschutzziele verpflichtet. Das Haager Berufungsgericht bestätigte eine Entscheidung aus dem Jahr 2015, wonach der Ausstoß von Treibhausgasen bis 2020 um mindestens 25 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden muss. Die Regierung teilte mit, sie werde prüfen, ob sie abermals in Berufung gehe. Doch wolle sie den Anweisungen des Gerichts Folge leisten.

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