EU:Briten melden Brexit in Brüssel an

EU: Nun ist es soweit: Der britische EU-Botschafter Sir Tim Barrow übergibt Donald Tusk den Brief mit dem offiziellen Austrittsgesuch Großbritanniens.

Nun ist es soweit: Der britische EU-Botschafter Sir Tim Barrow übergibt Donald Tusk den Brief mit dem offiziellen Austrittsgesuch Großbritanniens.

(Foto: AFP)
  • Großbritannien hat in Brüssel das offizielle Gesuch um den Austritt aus der EU eingereicht.
  • Premierministerin May betont in ihrer Rede vor dem Unterhaus die Stärken eines unabhängigen Großbritanniens.
  • EU-Ratspräsident Tusk kündigt an, möglichen Schaden durch den Austritt für die EU abwenden zu wollen.
  • Spätestens am 29. März 2019 wird der Brexit vollzogen sein.

Großbritannien will raus aus der Europäischen Union - das hat die britische Regierung jetzt auch offiziell in Brüssel angemeldet. Gemäß Artikel 50 des EU-Vertrags beginnt damit ein zwei Jahre währender Prozess, in dem London und Brüssel über die Bedingungen der Trennung und die künftigen Beziehungen verhandeln - spätestens am 29. März 2019 ist Schluss, dann ist das Vereinigte Königreich kein EU-Mitglied mehr.

Es ist 13.28 Uhr, als EU-Ratspräsident Donald Tusk mit einem Tweet den historischen Vorgang bestätigt: "Nach neun Monaten hat das Vereinigte Königreich geliefert." Geliefert heißt in diesem Fall: Der britische EU-Botschafter Sir Tim Barrow hat Tusk den Brief überbracht, den Großbritanniens Premierministerin Theresa May am Vorabend unterzeichnet hat.

Einige Minuten später tritt May vor die Parlamentarier im britischen Unterhaus und verkündet den eingeleiteten Brexit. "Dies ist ein historischer Moment, von dem ais es kein Zurück gibt", sagt May. "Großbritannien verlässt die Europäische Union." May bemüht sich um eine angemessen pathetische Rede - und betont die Chancen, die für Großbritannien nun entstünden: "Wir werden unsere eigenen Entscheidungen treffen, wir werden ein stärkeres und faireres Großbritannien schaffen. Das ist unsere Ziel und unsere Chance."

Und sie sagt auch: "Die besten Tage liegen noch vor uns." May betont, dass das Vereinigte Königreich zwar die EU verlassen werde, aber nicht Europa. Es gebe gemeinsam geteilte Werte und "wir werden unseren Teil dazu beitragen, diese Werte in der Welt zu verbreiten".

Die britische Regierung werde im Brexit-Prozess Sicherheit schaffen, wo immer dies möglich sei. Für Donnerstag kündigt die Premierministerin die Veröffentlichung eines White Papers an, in dem die Regierung ihre Vorstellungen für den Brexit darlegen werde.

EU-Ratspräsident Tusk: "Im Moment hat sich noch nichts geändert"

May hat mit dem offiziellen Austrittswunsch den ersten Schritt getan, nun ist die EU am Zug. EU-Ratspräsident Donald Tusk kündigte in einer ersten Stellungnahme nach der Übergabe des Austrittsgesuchs an, "Schadensbegrenzung" für die EU betreiben zu wollen. Tusk betonte: "Im Moment hat sich noch nichts geändert." Vorerst gelte im Vereinigten Königreich immer noch EU-Recht.

Im Namen der EU-Staaten kündigte er an: "Wir werden gemeinsam handeln." Am Freitag werde er den 27 verbleibenden EU-Staaten Vorschläge für die anstehenden Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich unterbreiten. Die Staats- und Regierungschefs der 27 Staaten treffen sich am 29. April zu einem Sondergipfel, um Leitlinien für die Brexit-Verhandlungen zu beschließen.

Die Gespräche zwischen Europäischer Union und Großbritannien werden schwierig. Beide Seiten stehen vor der gigantischen Aufgabe, das Vereinigte Königreich aus dem Rechts- und Wirtschaftsraum zu lösen. Es geht um viel Geld und äußerst komplizierte Rechtsfragen. Neben dem "Scheidungsvertrag" wird es wahrscheinlich eine Übergangsvereinbarung geben und längerfristig ein Abkommen über die künftigen Beziehungen.

Geführt werden die Verhandlungen auf EU-Seite durch den Brexit-Beauftragten der EU-Kommission, den Franzosen Michel Barnier. Er hat bereits klargemacht, dass die eigentlichen Gespräche bis Oktober 2018 abgeschlossen sein müssen, damit der Austrittsvertrag rechtzeitig vor den Europawahlen im Mai oder Juni 2019 von beiden Seiten ratifiziert werden kann.

Was wird zuerst verhandelt? Barnier will dem Vernehmen nach in diesem Jahr drei Dinge verhandeln: den Umgang mit EU-Bürgern in Großbritannien und Briten in der EU, den Status der Grenze zu Nordirland sowie die "Austrittsrechnung" an London. Dabei geht es um die Frage, welche langfristig zugesagten EU-Zahlungen London noch leisten muss - etwa für bereits pensionierte EU-Beamte. Hierüber dürfte hart gerungen werden, denn nach Angaben aus EU-Kreisen schätzt die Kommission die Forderung auf bis zu 60 Milliarden Euro.

May hat auf britischer Seite das letzte Wort

Zum Verhandlungsführer für Großbritannien hat Theresa May den EU-Kritiker David Davis gemacht. Als "Minister für den Austritt aus der Europäischen Union" obliegt es ihm, für die britische Seite die Details der Scheidung auszuhandeln. Auch Handelsminister Liam Fox und Außenminister Boris Johnson werden eine Rolle in den Verhandlungen spielen, wobei das letzte Wort bei May liegt. Brexit-Unterhändler der EU ist der als Bankenregulierer bekannt gewordene Franzose Michel Barnier, dem bis zu 30 Mitarbeiter unterstehen.

Das Austrittsabkommen muss am Ende mit einer qualifizierten Mehrheit der verbleibenden 27 Mitgliedstaaten beschlossen werden - von mindestens 55 Prozent der Länder, die 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren müssen. Auch das Europäische Parlament muss zustimmen. Im Vereinigten Königreich gilt so lange europäisches Recht, wie die EU-Mitgliedschaft währt, in Entscheidungsprozesse hingegen wird Großbritannien ab sofort nicht mehr eingebunden sein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: